Trumps Drohungen schlagen in Berlin Wellen

Berlin · Der künftige US-Präsident Donald Trump setzt Deutschland mit Kritik und Provokationen unter Druck. Kanzlerin und Vizekanzler empfehlen Gelassenheit, doch Wirtschaftsvertreter und Indus trielle sind empört.

Das muss dem Ego von Donald Trump geschmeichelt haben: Ein paar Sprüche daheim in New York, schon stürzen deutsche Autowerte in Europa ab und die Politik in Berlin rotiert. Das erste Interview des künftigen US-Präsidenten mit zwei europäischen Medien - neben der "Bild"-Zeitung noch der Londoner "Times" - hat Wellen geschlagen.

Vor allem Trumps Drohung, für jedes Auto, das in sein Land importiert wird, 35 Prozent Einfuhrsteuer zu erheben, löste Besorgnisse aus. Sie war gekoppelt mit der Beschwerde, dass das Verhalten der deutschen Exportwirtschaft "sehr unfair" sei. "Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland"?, frage der künftige US-Präsident. BDI-Chef Dieter Kempf warnte Trump: "Wer Wertschöpfungsketten zerschlägt, bremst Innovation und verteuert Produktion; das kostet Wohlstand und Chancen." Matthias Wissmann , Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, wies Trump darauf hin, dass mehr als der Hälfte der Fahrzeuge, die die deutschen Hersteller in den USA fertigten, von dort aus in den Export gingen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) äußerte ähnlich wie der USA-Beauftragte der Bundesregierung, Jürgen Hardt (CDU ), die Erwartung, dass das amerikanische Parlament Trump bremsen wird. Freilich gibt es in Berlin die Sorge, dass Europa und die USA in einen Handelskrieg rutschen könnten. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte unserer Redaktion, Trump sei für eine zeitgemäße Handelspolitik "eine schwere Hypothek". Er werde zum Armutsrisiko für amerikanische Arbeitnehmer, wenn er die USA in die wirtschaftliche Isolation führe.

Der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner, sagte auf Anfrage, die Kanzlerin müsse Trump so schnell wie möglich treffen. "Schwierige Gespräche, die man auf die lange Bank schiebt, werden nur noch schwieriger." Börner warnte: Wenn Strafzölle auf Produkte erhoben würden, "schadet das allen Beteiligten, weil es jegliche Investitionen unkalkulierbar macht und Gegenreaktionen hervorruft".

Aufregung gab es auch um die Nato-Passage des Interviews . Trump hatte das transatlantische Bündnis kurzerhand für "obsolet" erklärt, weil die meisten Mitgliedsstaaten nicht genug zahlten und sich das Bündnis nicht um den Terrorismus gekümmert habe. Allerdings hat das Wort "obsolete" im Englischen eine leicht andere Bedeutung: Es meint eher "veraltet". Gleichwohl hat die Nato-Spitze den Spruch "mit Besorgnis" aufgenommen, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ). Aus seinem Amt wurde allerdings darauf hingewiesen, dass Trumps designierter Außenminister Rex Tillerson sich bisher ganz anders geäußert habe. Der Amerikabeauftragte Hardt sagte unter Hinweis auf seine Gespräche mit US-Republikanern: "Seitens des Senats und Kongresses wird man eine Aufgabe der amerikanischen Rolle in der Nato nicht zulassen."

Scharf war Trump in dem Interview auch mit Angela Merkels Flüchtlingspolitik ins Gericht gegangen. "Sie hat einen äußerst katastrophalen Fehler gemacht". Merkels Sprecher Steffen Seibert ließ sich dadurch freilich nicht herauslocken. Die Kanzlerin habe das Interview "mit Interesse" gelesen, sagte er nur. "Nun warten wir die Amtseinführung ab."

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