USA Die Schüsse eines fanatischen Trump-Hassers

Washington · Ein 66-Jähriger zielt auf Abgeordnete und verletzt einen schwer: Die Tat des Wutbürgers entsetzt Amerika – und bewirkt ungewohnte Einheit.

 Der Schütze: James T. Hodgkinson  Foto: Uncredited/St. Clair County Sheriff‘s Deparment/AP/dpa

Der Schütze: James T. Hodgkinson Foto: Uncredited/St. Clair County Sheriff‘s Deparment/AP/dpa

Foto: dpa/Uncredited

James Hodgkinson war offenbar ein zorniger Mensch, leidenschaftlich an Politik interessiert und zugleich geübt im Umgang mit Waffen. Am Mittwoch zielte er auf einem Baseballplatz auf eine Gruppe von Republikanern, die für ein Spiel gegen ihre demokratischen Kontrahenten trainierten. Vier von ihnen verletzte er, bevor er von herbeigeeilten Polizisten erschossen wurde. Der Kongressabgeordnete Steve Scalise, die Nummer drei der Konservativen im Repräsentantenhaus, liegt in kritischem Zustand auf der Intensivstation eines Krankenhauses.

Dass er die Republikaner hasste, umso inniger, seit Donald Trump im Oval Office regiert, daraus hat Hodgkinson nie einen Hehl gemacht. Trump habe die Demokratie zerstört, lautete einer seiner letzten Einträge bei Facebook. Es sei an der Zeit, Trump & Co zu zerstören, schob er hinterher und rief dazu auf, eine Petition zu unterzeichnen, um die Amtsenthebung des Präsidenten zu fordern. Der 66-Jährige, ein freiberuflicher Baugutachter aus Belleville, einer Kleinstadt bei St. Louis, war ein kompromissloser Kritiker der konservativen Agenda. Sie habe Amerika in die Verhältnisse einer Oligarchie abrutschen lassen.

Im Winter 2016 lief er als Wahlhelfer im Bundesstaat Iowa von Haus zu Haus, um die Werbetrommel für den linken Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders zu rühren. Die Lokalzeitung seiner Heimatstadt kannte ihn als eifrigen Verfasser von Leserbriefen, in denen er sich über wachsende soziale Ungleichheit ebenso bitter beklagte wie über ein ungerechtes Steuersystem. „Würden die Reichen ihren fairen Anteil bezahlen, steckten wir nicht in diesem Dilemma“, schrieb er im Wahljahr 2012, im schleppenden Aufschwung nach der nicht wirklich überwundenen Finanzkrise. „Wir müssen sämtliche Republikaner im Kongress abwählen. Wir können uns unser Land zurückholen, wenn wir alle richtig abstimmen.“

Drei Jahre darauf fand er scharfe Worte für Jeb Bush, Ted Cruz, John Kasich und all die anderen Republikaner, die fürs Weiße Haus kandidierten. Bei jedem dieser „Clowns“ ziehe im Hintergrund jemand die Fäden, der ihnen vorschreibe, was sie zu tun hätten, wetterte er. Trump hebe sich ab, weil er eigenes Geld in die Hand nehme, um sich zum Narren zu machen. Am Tag vor der Attacke schließlich stellte Hodgkinson eine Karikatur auf seine Facebook-Seite. Wie die Gesetzgebung funktioniere? „Das ist leicht zu erklären, Billy“, war dort zu lesen. „Die Unternehmen schreiben den Entwurf, und dann korrumpieren sie den Kongress, bis daraus ein Gesetz wird. Genauso funktioniert es.“

Vor ein paar Wochen war Hodgkinson aus dem Mittleren Westen an den Rand der Hauptstadt gezogen, nach Alexandria, wo er einen Lieferwagen als Wohnquartier benutzte und in einem YMCA-Club in der Nähe duschen durfte. Die Wahl Trumps habe James sehr geärgert, hat sein Bruder Michael der „New York Times“ anvertraut. Sanders wiederum, als dessen glühender Fan sich Hodgkinson gab, stürmte entrüstet in die Senatskammer, um sich zu distanzieren. Er sei fassungslos angesichts der abscheulichen Tat, sagte der Senator aus Vermont. Gewalt, welcher Art auch immer, sei inakzeptabel.

Es ist einer dieser seltenen Momente, in denen die amerikanische Politik in sich geht, in denen Demokraten wie Republikaner nachdenkliche Fragen stellen. Ist die kontroverse Rhetorik, in der Ära Trump noch kontroverser als sonst, aus dem Ruder gelaufen? Sollte man nicht schnellstmöglich zurückfinden zu einem unaufgeregteren Ton? Die Schüsse auf dem Sportplatz, plötzlich werden sie zum Symbol für aufgeputschte Emotionen, für den Verlust an Sachlichkeit, den der Streit um Trump schürt und für den der Präsident wie kein anderer die Steilvorlagen liefert. „Zeigt der Welt, dass wir ein Haus sind, das Haus des Volkes, vereint in unserer Menschlichkeit“, predigt Paul Ryan, der Speaker des Abgeordnetenhauses, während führende Demokraten in ähnlichen Worten zum Schulterschluss rufen. Die Stunde der Versöhnung: Ob es nur eine kurze Episode ist oder länger Wirkung entfaltet, muss sich noch zeigen. An Skeptikern jedenfalls mangelt es nicht.

Auch gibt es Stimmen, die davor warnen, hinter Hodgkinsons Angriff vorrangig politische Motive zu sehen. Der frühere High-School-Ringer, berichten Nachbarn, sei öfter gewalttätig geworden, wenn ihn der Jähzorn packte.

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