Trotz Familienförderung zu wenig Geburten

Berlin. Elterngeld, Krippenausbau und Steuererleichterung für Familien haben in Deutschland immer noch nicht zu dem gewünschten deutlichen Geburtenanstieg geführt. Dies geht aus dem neuen OECD-Familienbericht über die Förderung und Lebenssituation von Eltern in den 33 wichtigsten Industrienationen hervor

Berlin. Elterngeld, Krippenausbau und Steuererleichterung für Familien haben in Deutschland immer noch nicht zu dem gewünschten deutlichen Geburtenanstieg geführt. Dies geht aus dem neuen OECD-Familienbericht über die Förderung und Lebenssituation von Eltern in den 33 wichtigsten Industrienationen hervor. Mit einer Geburtenrate von 1,36 Kindern pro Frau liegt Deutschland um einiges unter dem OECD-Schnitt von 1,74.Dabei gibt Deutschland im Vergleich mit anderen Industrienationen nicht wenig Geld für seine Familien aus, heißt es in dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichen Familienreport. Zur Unterstützung der Eltern sowie für Betreuung und Bildung eines Kindes bis zum 18. Lebensjahr investiert der Staat hierzulande 146 000 Euro. Im OECD-Schnitt sind dies nur 124 000 Euro.

Als einen Grund für die niedrige Geburtenrate führt der Bericht an, dass die Frauen in der Bundesrepublik mit der ersten Schwangerschaft immer länger warten. Im Schnitt bekommen sie ihr erstes Baby mit 30. Mehr als 40 Prozent der deutschen Frauen zwischen 25 und 49 leben in einem kinderlosen Haushalt (OECD-Schnitt: 34 Prozent).

"Je höher die akademische Bildung einer Frau, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihren Kinderwunsch aufschiebt", führen die OECD-Familienforscher an. "Denn Kinder gehen in Deutschland häufig zu Lasten der Karriere und der finanziellen Ausstattung einer Frau." Wegen des "Karriereknicks" in der Erziehungsphase erzielen Frauen mit Kindern weniger als die Hälfte des Lebenseinkommens einer kinderlosen Frau. Verglichen wurden ähnliche Berufsgruppen.

Unterschiede bei Einkommen

Auch die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau sind in Deutschland besonders ausgeprägt. Sie betragen im Schnitt 25 Prozent (OECD: 16 Prozent).

Im Staatenvergleich der finanziellen Aufwendungen für Familien belegt Deutschland mit knapp 2,8 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP/2007) den zwölften Platz von 33. Am meisten investieren Frankreich, Dänemark und Großbritannien in ihre Familien - mit einem BIP-Anteil von jeweils über 3,5 Prozent. Die hohe Förderung hilft laut Bericht, in Deutschland die Kinderarmutsrate mit 8,3 Prozent relativ niedrig zu halten (OECD-Schnitt: 12,7 Prozent). Mit 3,7 Prozent ist sie in Dänemark am niedrigsten.

Anders als andere Staaten setzt Deutschland bei der Familienförderung sehr stark auf sein Steuersystem. Ein Drittel aller Leistungen fließt hierzulande über Steuererleichterungen an die Eltern, im Schnitt der OECD-Staaten sind dies nur zehn Prozent. Andere Staaten investieren mehr in die Strukturen wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Deutschland ist laut Bericht auch der einzige Industriestaat, der über das Ehegattensplitting bei der Steuer Alleinverdiener-Familien bevorzugt.

Trotz ihres Ausbaus habe die Betreuung der Kinder in Deutschland immer noch Mängel, heißt es weiter. So seien die Öffnungszeiten der Kindergärten oft nur kurz. dpa

Meinung

Reiches armes Land

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Deutschland ist ein reiches Land. Das hat auch der jüngste OECD-Familienbericht eindrucksvoll bestätigt. Bis zum 18. Lebensjahr eines Kindes unterstützt der deutsche Staat die Eltern immerhin mit 146 000 Euro. Das ist deutlich mehr als der Durchschnitt aller entwickelten Industriestaaten. Trotzdem ist Deutschland ein armes Land. Arm an Kindern. Mit einer Geburtenrate von gerade einmal 1,36 Kindern pro Frau zählen wir zu den Schlusslichtern in der OECD. Viel Aufwand, wenig Effekt.

Die Politik muss sich fragen lassen, wie das zusammenpasst. Sie muss einsehen, dass sich Familienförderung nicht nur an eindrucksvollen Geldbeträgen festmacht. Diese müssen auch gezielt eingesetzt werden. Und es bedarf eines gesellschaftlichen Klimas, in dem Kinder wie selbstverständlich dazugehören. Bis dahin ist es in Deutschland leider noch ein weiter Weg.

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