Triumphaler Empfang in Tripolis

Tripolis/Madrid. Die beiden Besucher durften sich als Helden fühlen. Hände wurden ihnen entgegengestreckt. Die Menschen jubelten und klatschten. Viele reckten die Arme in die Höhe, markierten mit zwei gespreizten Fingern das Siegeszeichen

Tripolis/Madrid. Die beiden Besucher durften sich als Helden fühlen. Hände wurden ihnen entgegengestreckt. Die Menschen jubelten und klatschten. Viele reckten die Arme in die Höhe, markierten mit zwei gespreizten Fingern das Siegeszeichen. Großbritanniens Premierminister David Cameron und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy genossen das triumphale Bad in der Menge in der libyschen Hauptstadt Tripolis und später erneut in der Rebellenhochburg Bengasi. Es ist ein historischer Tag im weitgehend, wenn auch noch nicht ganz befreiten Libyen. Erstmals seit Beginn des libyschen Krieges und der Vertreibung des Diktators Muammar al-Gaddafi kamen zwei westliche Spitzenpolitiker in die Höhle des Löwen.Zunächst besuchten die beiden hohen Gäste ein Krankenhaus in Tripolis, um mit verletzten Rebellen und Zivilisten zu reden. "Wie geht es Ihnen?", fragte Cameron einen Mann im Lazarett, der mit verbundenen Gliedmaßen im Krankenbett liegt. Der Kämpfer nickte schwach. Vielen Kriegsverletzten mussten Arme oder Beine amputiert werden.

Dann ging es weiter zur Pressekonferenz zusammen mit den beiden Führern der Oppositionsbewegung, Mustafa Abdul Jalil, dem Präsidenten des Übergangsrates, und Mahmoud Jibril, als provisorischer Regierungschef die Nummer zwei. "Sie haben uns politisch, wirtschaftlich und militärisch unterstützt, was den Rebellen half, einen Staat zu etablieren - und wir danken Frankreich und Großbritannien dafür", sagte Jalil.

Paris und London waren von Beginn an die Wortführer jener internationalen Allianz, die sich Mitte März mit einem Luftkrieg in die blutige libysche Revolution einmischte und begann, Gaddafis militärische Stellungen zu bombardieren. Ende März übernahm dann die Nato das militärische Kommando. "Wir werden mit der Nato-Mission so lange wie notwendig weitermachen", versprach Cameron. "Die Arbeit ist noch nicht zu Ende." Noch immer seien Teile Libyens unter Gaddafis Kontrolle. In der Tat wurde auch gestern in den beiden Gaddafi-Hochburgen Bani Walid und Sirte weiter gekämpft.

"Die Botschaft an Gaddafi und jene, die noch nicht die Waffen niedergelegt haben, lautet: Es ist vorbei - geben Sie auf. Die Söldner sollten nach Hause gehen." Großbritannien werde, sobald der UN-Sicherheitsrat es erlaube, knapp 700 Millionen Euro aus dem eingefrorenen Vermögen Libyens freigeben. Cameron sagte auch zu, dass sich der Westen an der Jagd auf den geflüchteten Gaddafi beteiligen werde. "Wir werden Ihnen helfen, Gaddafi aufzuspüren und ihn vor Gericht zu bringen." "Frankreich und Europa werden an Eurer Seite sein", sagte Sarkozy. Er verwahrte sich aber dagegen, dass hinter dem westlichen Engagement in dem rohstoffreichen Wüstenland heimliche wirtschaftliche Motive stecken könnten. Der Übergangsrat versprach, jene Staaten, die den Rebellen aktiv geholfen haben, mit Aufträgen zu belohnen.

Meinung

Rennen um lukrative Aufträge

Von SZ-MitarbeiterRalph Schulze

Erst hat die internationale Koalition mit Luftangriffen auf Gaddafis Militärmaschinerie den Rebellen zum Sieg verholfen. Nun muss die Welt der noch wackeligen Übergangsführung der Opposition beim Aufbau eines neuen, hoffentlich demokratischen Libyen unter die Arme greifen. Frankreichs Staatschefs Sarkozy und Großbritanniens Premier Cameron, die schon die Militärallianz gegen den gestürzten Diktator Gaddafi anführten, machten mit ihrem Blitzbesuch klar, dass sie auch in der libyschen Nachkriegsära in der ersten Reihe sitzen wollen. Deswegen hatten sie es eilig, nach Libyen zu fliegen, sich vom Volk feiern zu lassen und mit dem Übergangsrat aufs Foto zu kommen.

Auch wenn der Krieg in dem riesigen Öl-Wüstenland noch nicht ganz zu Ende ist, in einigen Städten noch gekämpft wird: Das Wettrennen um die politische Gunst und lukrative Aufträge der Übergangsregierung hat schon begonnen.

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