Trittin unzufrieden über gespaltenes Stimmverhalten der Grünen

Berlin · Der Bundestag wird am heutigen Freitag über die Einstufung Algeriens, Marokkos und Tunesiens als sichere Drittstaaten abstimmen. Eine Mehrheit gilt als sicher. Damit können Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten künftig leichter abgeschoben werden.

Die Grünen tun sich damit besonders schwer. Schon bei zwei früheren Abstimmungen dieser Art wurde in der Partei zum Teil heftig darüber gestritten. Am Ende verhalfen die Grünen im Bundesrat den Regierungsvorlagen stets zu einer Mehrheit.

Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit Jürgen Trittin , dem außenpolitischen Experten der Grünen:

F: Herr Trittin, wie werden Sie im Bundestag abstimmen?
A: Die grüne Bundestagsfraktion wird diesen Regierungsentwurf geschlossen ablehnen. Denn um die Menschenrechte ist es in den Maghreb-Staaten schlecht bestellt. Homosexuelle und Lesben werden diskriminiert. Marokko hält entgegen einer UN-Resolution einen Teil der Westsahara besetzt. In Algerien haben wir wegen des langjährigen Bürgerkrieges immer noch viele ungeklärte Todesfälle und Verschwundene. Das sind keine sicheren Herkunftsländer. Punkt.

F: Aber die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus Nordafrika tendiert gegen Null.
A: Die Zahl der Flüchtlinge tendiert auch gegen Null. Mit symbolischer Rechtsverletzung soll ein Organisationsversagen des Bundes kaschiert werden. Wir haben nämlich die paradoxe Situation, dass sich die Bearbeitungsdauer trotz des Rückgangs der Flüchtlingszahlen verlängert hat. Es dauert immer noch Wochen, bis ein Flüchtling überhaupt seinen Antrag stellen kann. Es bringt also nichts.

F: Schon zwei Mal waren die Grünen bei diesem Thema im Bundestag dagegen. Aber im Bundesrat sorgten sie zwei Mal für eine Zustimmungsmehrheit. Ist das nicht schizophren?
A: Nicht die Grünen sorgen für eine Zustimmung, sondern Landesregierungen, an denen Grüne beteiligt sind. Das gefällt einem grünen Bundestagsabgeordneten wie mir sicher nicht. Da haben wir einen Dissens. Aber die Bundestagsfraktion kann den Ländern nicht per ordre de mufti sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Länder in ihrer Abwägung das grüne Votum im Bundestag gebührend berücksichtigen, wenn im Juni die Abstimmung im Bundesrat ansteht.

F: Ihr baden-württembergischer Parteifreund Winfried Kretschmann hat erneut Zustimmung signalisiert. Ärgert Sie das?
A: Nach allem, was sich lese und höre, hat auch Winfried Kretschmann rechtliche Bedenken. Daraus schließe ich, dass sich Baden-Württemberg noch nicht auf ein Votum festgelegt hat. Außerdem hängt es ja nicht allein an Baden-Württemberg, wie die Abstimmung im Bundesrat ausgeht.

F: Die CSU hat bereits weitere Staaten wie etwa Nigeria genannt, die als sichere Drittländer in Frage kämen. Diese Debatte wird Ihre Partei also nicht los.
A: Man kann sich immer bizarrere Dinge ausdenken. Wahrscheinlich glaubt die CSU , Boko Haram , die IS-Filiale in Nigeria, sei eine Krabbelgruppe. Vielleicht erklärt Herr Seehofer demnächst auch Syrien und den Irak zu sicheren Herkunftsstaaten. All das soll davon ablenken, dass die Bundesbehörden beim zügigen Bearbeiten der Asylanträge glatt versagen. Und die Länder müssen es ausbaden.

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