Digital-Pakt für Schulen War das digitale Klassenzimmer nur ein Bluff der Ministerin?

Berlin · Fünf Milliarden Euro für digitale Bildung hat Bundesministerin Johanna Wanka versprochen. Doch jetzt droht das Projekt zu versanden. Kritik wird laut.

 Bundesministerin Wanka im November 2016 in der Gesamtschule Bellevue in Saarbrücken, die als „Smart School“ eingeweiht wurde.

Bundesministerin Wanka im November 2016 in der Gesamtschule Bellevue in Saarbrücken, die als „Smart School“ eingeweiht wurde.

Foto: BeckerBredel/bub_fb

(dpa) Bei Finanzminister Wolfgang Schäuble sind schon viele Bittsteller mit teuren Wünschen abgeblitzt. Seine CDU-Kollegin Johanna Wanka wäre also nicht die erste, die beim obersten Kassenwart scheitert – sagen manche, die es derzeit nicht so gut meinen mit der Bundesbildungsministerin. Der Vorwurf: Entweder habe sich die Berliner Ressortchefin bei der Finanzierung ihrer Pläne für einen milliardenschweren „Digitalpakt“ verspekuliert – oder von vornherein geblufft.

So ist die von Wanka im Oktober 2016 mit großer Geste ausgerufene, auf fünf Jahre angelegte Bildungsoffensive von Bund und Ländern jetzt zum Top-Streitthema der Bildungspolitik geworden. Das Programm, das Wanka im vergangenen Herbst auch bei einem Besuch zum IT-Gipfel in Saarbrücken bewarb, dürfte, wenn überhaupt, ein Projekt für die nächste Wahlperiode sein – mit ungewissem Ausgang. Gerade erst bestätigte ein Schäuble-Sprecher, „dass in der derzeitigen Finanzplanung für dieses Thema keine Vorsorge getroffen wurde. Das ist der Stand“.

Konkret geht es um die Ausstattung aller 40 000 Schulen in Deutschland mit digitalen Endgeräten, um ihre Vernetzung, W-Lan-Verbindungen in den Klassenräumen und sichere Cloud-Lösungen. Dafür soll der Bund nach Wankas Wünschen fünf Milliarden Euro bereitstellen – manche Länder haben ihren Anteil schon fest eingeplant. Zudem müssen computerkompetente Lehrer her für Schüler, die oft kaum etwas Sinnvolles mit ihren Smartphones und Laptops anstellen – die pädagogische Basis wäre Ländersache.

Der „Digitalpakt“-Start soll 2018 sein, die Zeit wird also knapp. Zwar hatte Wanka bereits bei der Präsentation ihrer Idee, mit der sie die Kultusminister-Kollegen vor neun Monaten freundlich lächelnd überrumpelte, von einer Umsetzung erst nach der Bundestagswahl gesprochen. Bund und Länder sollten sich aber 2017 „so weit verständigen, dass man in neuen Koalitionsverhandlungen die entsprechenden Mittel für einen Digitalpakt einwerben kann“, sagte sie damals. Denn ohne Grundkonsens habe man schlechte Karten beim Bundesfinanzminister. Der Optimismus auf beiden Seiten war zunächst groß, dass das Projekt schnell finanzierungsreif sein könnte. Inzwischen sehen viele Bildungspolitiker Wankas Prestigeprogramm vor dem Aus. Auch die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Susanne Eisenmann (CDU), gibt sich skeptisch: „Natürlich steht die Sorge im Raum, dass der Digitalpakt nicht zustande kommt.“ Die 16 Länder hatten im Juni Eckpunkte für ihre Digitalisierungsoffensive vorgestellt – nach einem Treffen, an dem Wanka kurzfristig nicht teilnehmen konnte, was für viel Unmut sorgte. Eisenmann forderte ihre Berliner Parteifreundin wenig später auf, Farbe zu bekennen. Bisher ohne Ergebnis – ein gemeinsames Konzept mit finanziellen Absicherungen des Bundes steht weiterhin aus. Wanka spürt nun wohl, dass sich während ihres Urlaubs und im anziehenden Wahlkampf etwas gegen sie zusammenbraut. Am Montag will sie mit Eisenmann telefonieren, und sie versichert: „Der Digitalpakt Schule wird kommen.“ Ihr Ziel sei, dass eine Bund-Länder-Vereinbarung „bis Ende des Jahres“ stehe. Dann sind neue Koalitionsverhandlungen aber vermutlich längst gelaufen.

Wanka schiebt die konkrete Umsetzung des Pakts also den nächsten Bundesministern für Finanzen und Bildung/Forschung zu. Ob sie selbst und der hartleibige Schäuble dann noch am Tisch sitzen: völlig offen.

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