„Zwei Schritte nach vorne, einer zurück“

Rom · Von einem Erdbeben in der katholischen Kirche war schon die Rede. Ein neuer Ton gegenüber Homosexuellen und Geschiedenen wurde vernommen. Nun ist die Weltkirche erst mal wieder zurück im Alltag. Doch der Papst hat einiges in Gang gebracht.

 „Keine Angst vor Neuem“: So lautet die Botschaft von Franziskus an die Christen beim Abschluss-Gottesdienst der Synode. Fotos: dpa

„Keine Angst vor Neuem“: So lautet die Botschaft von Franziskus an die Christen beim Abschluss-Gottesdienst der Synode. Fotos: dpa

Es war ein Bild mit Symbolcharakter, als die Synodenväter gestern in Reih und Glied aus dem Petersdom zur Seligsprechung Papst Paul VI. schritten. Erst kamen die Bischöfe , dann die Kardinäle und am Ende erschein auch Franziskus mit der Mitra und dem Petrusstab. Er begrüßte den ebenfalls anwesenden emeritierten Benedikt XVI . Weil jeder der Bischöfe erst seinen Sitzplatz finden musste, war der Zug der Synodenväter immer wieder zum Stehen gekommen.

Der von Papst Franziskus vor 70 000 Menschen auf dem Petersplatz selig gesprochene und wegen seines "Pillen-Verbots" umstrittene Paul VI. hatte die Synode als Beratungsinstrument ins Leben gerufen. Wörtlich bedeutet Synode "gemeinsamer Weg". Und so wirkte der Einzug der "Synodenväter" wie eine Demonstration dessen, was sich in den vergangenen zwei Wochen bei ihrer außerordentlichen Versammlung zum Thema Familie im Vatikan zugetragen hatte. Sie sind gemeinsam auf einem Weg nach vorne, müssen aber immer wieder bremsen. "Zwei Schritte nach vorne, einer zurück", so fasste der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx , das Ergebnis zusammen.

Positiv formuliert heißt das: Es ist etwas in Gang gekommen in der Kirche. Und das wurde vor allem zum Ende klar. Auf ausdrücklichen Wunsch von Franziskus veröffentlichte der Vatikan - wo sonst sogar die Stimmkarten bei der Papstwahl verbrannt werden - die einzelnen Abstimmungsergebnisse des Berichts. Die zeigen schwarz auf weiß: Zwar gibt es keinen breiten Konsens, aber die Themen liegen auf dem Tisch.

Das dürfte vor allem ein Verdienst von Franziskus sein, der die Bischöfe ganz zu Beginn ihrer Beratungen eindringlich gebeten hatte, offen zu sprechen und auch genau zuzuhören. In seiner Predigt der Seligsprechung sagte er zudem: Gott "hat keine Angst vor dem Neuen. Darum überrascht er uns ständig, indem er ungeahnte Wege vor uns auftut und uns zu ihnen hinführt". Auch in seiner Ansprache vor den Bischöfen zum Synoden-Abschluss lobte er die "emotionalen Diskussionen" - und bekam von den Teilnehmern minutenlangen Applaus.

Zuvor hatten die knapp 200 "Synodenväter" aus aller Welt Punkt für Punkt über das Abschlussdokument der Synode abgestimmt. In der großen Mehrheit der Themen erzielten sie Einmütigkeit, votierten mindestens mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit dafür. Nicht so bei den Punkten 52, 53 und 55, die sich um den Umgang der Kirche mit Homosexuellen und Geschiedenen drehen. Zwar steht auch hier eine Mehrheit der Bischöfe hinter den Formulierungen, aber eben keine "qualifizierte". Die Zahlen sind wichtig, denn ohne die Zwei-Drittel-Mehrheit wird nicht die Haltung der Synode repräsentiert, sagte der Sprecher des Vatikans, Pater Federico Lombardi. Quasi im gleichen Atemzug betont er aber auch: Abschlussdokument hin oder her - es ist kein lehramtliches Dokument; über die Themen wird weiter gesprochen.

Wohl ganz nach den Vorstellungen des Papstes debattierten die Bischöfe zwei Wochen lang in einer vorher von vielen nicht für möglich gehaltenen Art und Weise über für die Kirche so heikle Themen wie Verhütung, Homo-Ehe, Scheidung und Polygamie. Sogar die "einfachen" Kirchenmitglieder in aller Welt waren nach ihrer Meinung gefragt worden. Das Befragungsergebnis: Viele Gläubige fühlen eine Kluft zwischen ihrem Leben und der Lehre ihrer Kirche.

Dieser Diagnose konnten sich die "Synodenväter" nicht verschließen, als sie mit den Beratungen im Vatikan begannen. Wie heftig dann aber diskutiert wurde, macht vielleicht die Reaktion konservativer Bischöfe auf den viel beachteten Zwischenbericht der Synode nach der ersten Woche deutlich: Nachdem dieser einen für viele Beobachter grundlegend neuen Ton im Umgang mit Homosexuellen anschlug, protestierten einige Bischöfe heftig. Sie distanzierten sich öffentlich von dem Papier und äußerten Kritik.

Sogar der Vatikan sah sich nach der Veröffentlichung des Berichts und den anschließenden Diskussionen zur Klarstellung gezwungen, dass es sich lediglich um ein Arbeitspapier handele. Es folgte, was viele dann erwartet hatten: In Kleingruppen wurde weiter gestritten. Berichte, dass einige Traditionalisten sogar Benedikt XVI . um Hilfe zur Rettung der katholischen Morallehre gebeten hätten, wurden indes nicht bestätigt. Egal wie: Die Konservativen scheinen sich in der Synode durchgesetzt zu haben. Denn am Ende steht ein eher "entschärftes" Papier, das keinen verbindlichen Charakter hat und die Synode 2015 vorbereitet. Ein Jahr lang wird in der Kirche also erst einmal weiter diskutiert, bevor sich tatsächlich etwas bewegt.

Also doch nicht der große Wurf? Das bleibt abzuwarten. Der deutsche Vertreter Kardinal Marx sieht es so: "Es ist immer ein Auf und Ab." Er bemüht sich, das Positive zu sehen: "Wir hätten vor ein oder zwei Jahren nicht gedacht, dass diese Thematik, und auch wie sie diskutiert worden ist, möglich ist auf dieser weltkirchlichen Ebene." Dass dies nun geschehen ist, ist vor allem gewollt von Papst Franziskus, der sich selbst als "Diener der Einheit" sieht, wie Marx es formuliert. Er passe auf, "dass wir in der Spur der Kirche bleiben. Dafür ist der Papst da."

 Papst Franziskus (r.) und Vorgänger Benedikt XVI., den die Traditionalisten als Fürsprecher für ihre Werte gewinnen wollten.

Papst Franziskus (r.) und Vorgänger Benedikt XVI., den die Traditionalisten als Fürsprecher für ihre Werte gewinnen wollten.

Zum Thema:

Auf einen BLickDie Familiensynode im Vatikan ist nach zwei Wochen gestern offiziell zu Ende gegangen. Das Abschlussdokument wurde in weiten Teilen mit übergroßer Mehrheit von den Bischöfen angenommen. Das Papier mit seinen 62 Passagen gibt aber auch Hinweise auf Knackpunkte der Diskussion: So fand ein Absatz zum Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Darin ist zum einen die Rede davon, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht mit der Ehe von Mann und Frau gleichgesetzt werden dürften, homosexuellen Menschen aber mit "Respekt und Taktgefühl" begegnet werden müsse. Zwei weitere Passagen betrafen Überlegungen zu einer möglichen Wiederzulassung von Geschiedenen zur Kommunion. Auch hier schloss sich die Synode nicht mit "qualifizierten" Mehrheit an. dpa

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