Zwei Frauen greifen nach der Macht

Berlin. Wer geglaubt hatte, nach dem Rückzug Oskar Lafontaines von der Chef-Kandidatur würde sich der Personal-Nebel bei den Linken lichten, sieht sich getäuscht. Theoretisch hätte Lafontaines Erzfeind Dietmar Bartsch jetzt freie Bahn. Doch plötzlich gibt es immer mehr Gegenkandidaturen. Von einem "dritten Weg" haben viele Genossen schon länger geträumt

 Katharina Schwabedissen und Katja Kipping (rechts) wollen gemeinsam kandidieren. Foto: dpa

Katharina Schwabedissen und Katja Kipping (rechts) wollen gemeinsam kandidieren. Foto: dpa

Berlin. Wer geglaubt hatte, nach dem Rückzug Oskar Lafontaines von der Chef-Kandidatur würde sich der Personal-Nebel bei den Linken lichten, sieht sich getäuscht. Theoretisch hätte Lafontaines Erzfeind Dietmar Bartsch jetzt freie Bahn. Doch plötzlich gibt es immer mehr Gegenkandidaturen. Von einem "dritten Weg" haben viele Genossen schon länger geträumt. Angewidert vom Machtgerangel der Männer favorisierten sie ein weibliches Duo an der Spitze, das sich Anfang Juni auf dem Parteitag in Göttingen zur Wahl stellen könnte.Genau dafür empfahlen sich gestern die Linken-Vize Katja Kipping aus Sachsen und die nordrhein-westfälische Landeschefin Katharina Schwabedissen. In der Parteisatzung ist nur festgelegt, dass der Doppelspitze eine Frau angehören muss. Zwei wären also auch möglich. Nach dem politischen Chaos der letzten Tage dürfte sich die Partei stärker denn je nach einer Konsenslösung sehnen. "Wir kandidieren als Team", ließen Kipping und Schwabedissen deshalb auch wissen. Ob die eine auch dann weiter kandidiert, wenn die andere einem möglichen Gegenkandidaten unterliegt, blieb offen. Bei Kipping und Schwabedissen wäre jedenfalls auch der ungeschriebene Ost-West-Proporz erfüllt und die Strömungs-Arithmetik gleich mit. Kipping wird eher den Reformern zugerechnet, Schwabedissen dem radikalen Flügel.

Noch vor Tagen hatte Kipping erklärt, als Mutter einer Tochter könnte sie "den Vorsitz nur als Teilzeit ausüben". Gestern meinte die 34-Jährige, dass Schwabedissen (39) und sie für eine "politische Praxis" stünden, "die mit dem Familienleben vereinbar sein muss". Daher habe man die Pressekonferenz in Hannover abgehalten, weil es Schwabedissen nur so möglich gewesen sei, wegen ihres Schulkindes wieder rechtzeitig nach Hause zu kommen.

An ihrer Kandidatur festhalten will derweil Sabine Zimmermann. Im Gespräch mit unserer Zeitung forderte sie Bartsch gestern auf, seine Bewerbung zurückzuziehen. "Das wäre sinnvoll, denn wir brauchen eine Lösung, bei der die Partei wieder zur Ruhe kommt." Bartsch will davon jedoch nichts wissen. "Ich habe mein Angebot schon im November unterbreitet und werde das jetzt auch auf den Regionalkonferenzen der Partei tun", sagt er der SZ.

Dabei sind die Chancen für den Reformer aus Mecklenburg-Vorpommern stark gesunken. "Der wird keine Stimme für keinen Posten kriegen", meinte ein Parteikenner mit Blick auf die West-Genossen, von denen viele Bartsch für den Rückzug ihres Idols Lafontaine verantwortlich machen. Doch auch im Osten bröckelt der Rückhalt für Bartsch. So wurde eine weibliche Spitze gestern auch von der Führung der brandenburgischen Linken begrüßt. Noch-Parteichef Klaus Ernst zeigt für diese Lösung ebenfalls Sympathien. Dass er sich erneut für den Chefposten bewirbt, gilt als unwahrscheinlich. Ernst hatte zuletzt in scharfer Form gegen die Reformer um Bartsch gewettert, um den Machtanspruch Lafontaines durchzusetzen. Damit gehört auch er zu den Verlierern. "Ernst ist pulverisiert", heißt es im Reformer-Lager.

Bleibt die Frage, ob sich Sahra Wagenknecht, die Lebensgefährtin Lafontaines, doch noch für eine Spitzenkandidatur bereit erklärt. Linken-Vize Heinz Bierbaum meinte, sie müsse eine "zentrale Rolle" in der Partei spielen. In diesem Falle würden die Karten noch einmal neu gemischt.

Hintergrund

Nach Ansicht des thüringischen Fraktionschefs der Linken, Bodo Ramelow, spricht nichts dagegen, dass Dietmar Bartsch auch gegen ein weibliches Duo für den Parteivorsitz kandidiert. "Er hat seine Kandidatur sehr frühzeitig erklärt und damit Klarheit geschaffen. Deshalb kann ich überhaupt nicht erkennen, warum er sie zurückziehen sollte", sagte Ramelow der SZ. Mehrere Kandidaturen seien "kein Kuddelmuddel, sondern Ausdruck von Demokratie und Stärke". Das vollständige Interview lesen Sie auf www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero. vet

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