Job-Sharing Zwei Frauen, ein Job

Saarbrücken · Melanie Folz und Susanne Degenhardt teilen sich in der Staatskanzlei eine Führungsposition. An diesem Sonntag schreiben sie Geschichte.

 Melanie Folz (links) sitzt gemeinsam mit Susanne Degenhardt in ihrem Büro. Degenhardts Schreibtisch ist in „Rufweite“, ihr Büro ist identisch. Die beiden Frauen leiten gemeinsam das Personalreferat in der Landesregierung. Ab dem 1. April übernehmen sie die Abteilung für Organisation, Personal und Haushalt.

Melanie Folz (links) sitzt gemeinsam mit Susanne Degenhardt in ihrem Büro. Degenhardts Schreibtisch ist in „Rufweite“, ihr Büro ist identisch. Die beiden Frauen leiten gemeinsam das Personalreferat in der Landesregierung. Ab dem 1. April übernehmen sie die Abteilung für Organisation, Personal und Haushalt.

Foto: Rich Serra

Kinder bekommen und zu Hause bleiben. Das kam für Melanie Folz nie in Frage. Für Susanne Degenhardt auch nicht. Deshalb musste eine Lösung her. Eine Lösung, die die  beiden Frauen scheinbar fast so natürlich finden wie Kinderkriegen. „Unspektakulär“ – so die allgemeine Reaktion aus ihrem Umfeld. „Oder war das bei dir etwa anders?“ „Nein.“ Seitenblick, Kopfschütteln, Lächeln. „Wir sind eine Einheit“, bilanziert Folz. Eine Einheit auf höchster Ebene. Schicke Blusen, schwarze Jacketts. In der Saarbrücker Staatskanzlei sitzen zwei Frauen an der Spitze des Personalreferats. „Job-Sharing“ nennt sich das auf Neudeutsch.

Ein Konzept mit Signalwirkung. Und obendrein noch eines, das laut „Jobsharerinnen“ ausgerechnet ein Mann vorangetrieben hatte: der ehemalige Abteilungsleiter und jetzige Finanzstaatssekretär Ulli Christian Meyer (CDU).

Die beiden Referatsleiterinnen werden ab diesem Ostersonntag schon keine Referatsleiterinnen mehr sein. Sie treten gemeinsam in Meyers Fußstapfen. Erstmals in der Geschichte der Landesregierung erreicht dann das Modell Job-Sharing die Abteilungsleiterebene. „Vorreiter-Rolle“, lobt Regierungssprecherin Anne Funk.

Auch in den saarländischen Unternehmen ist das, was Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) gleich bei seiner Vereidigung als vorbildlich anpreist, Neuland. „Dieses Modell findet im Saarland wenig Anwendung“, heißt es auf Anfrage bei der Industrie-und Handelskammer. Schulterzucken auch im zuständigen Büro der Arbeitskammer. Job-Sharing sei eine „ganz spezielle Form der Teilzeitarbeit“, die nicht gesondert erfasst werde, erklärt die arbeitsmarktpolitische Referentin Dagmar Ertel. „Es gibt dazu keine Daten.“ Das Modell habe sich bisher nur in sehr wenigen Unternehmen durchgesetzt.

Das könnte auch an der Natur der Sache liegen: Job-Sharing bedeutet, wie der Name aus dem Englischen schon suggeriert, eben Teilen – und nicht einfach zweimal Teilzeit. Degenhardt und Folz müssen, wie sie selber sagen, eine „Einheit“ sein, sich absprechen, Rücksicht aufeinander nehmen, sich permanent auf dem neusten Stand halten. Das sei nicht immer einfach. „Wir sind nicht in allen Bereichen gleich tief im Thema drin“, sagt Folz. Ohne gute Chemie geht da gar nichts. Und die ist seit 2011 vorhanden. „Wir kannten uns vorher nicht näher“, berichtet Folz, die von 2003 an die Position noch alleine innehatte. Bis Anfang 2010 ihr erstes Kind zur Welt kam. Die 46-jährige Degenhardt sprang für sie ein. Als Folz dann wieder zurückkam, sei von höherer Stelle der Vorschlag gekommen, die Stelle aufzuteilen. Auch die ehemalige Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer soll diesen Prozess unterstützt haben.

„Für meinen Mann stand es nie zur Debatte, dass ich zu Hause bleibe“, sagt Folz. Ebenso wenig denkbar war für sie jedoch ein Vollzeitjob in führender Position. „Ich kümmere mich gerne um meine Kinder. Als ausschließlich berufstätige Frau hat man einen anderen Fokus. Aber sobald man ein Kind bekommt, verschiebt sich das.“ Und es verschob sich eine Menge.

Die Schwalbacherin arbeitet aktuell an drei Tagen pro Woche. Als Mutter von drei Kindern (5, 8 und 17 Monate) bleibt für eigene Hobbys kaum Zeit. Das Saxophon ist seit einiger Zeit zur Wohnzimmerdeko verkommen. „Immerhin haben wir schon mal den Belegungsplan für die Tennishalle ausgedruckt“, sagt Folz und lacht. Die Wahl-Saarländerin Degenhardt, geboren in Kaiserslautern, kann sich als Mutter einer fünfzehnjährigen Tochter ebenfalls selten zurücklehnen. Höchstens mal am Steuer, wo sie für ihre Tochter, die leidenschaftlich gerne schwimmt, etliche Wochenstunden als „Fahrdienst“ verbringt. Dafür springt Degenhardt aber auch gerne mal mit ins Becken und lernt zum Ausgleich Französisch („Frankreichstrategie“). An vier Tagen pro Woche kommt sie ins Büro.

Die Aufteilung hätten sich die beiden selber so ausgesucht. Und die sei auch nicht in Stein gemeißelt. Ebenso wenig wie das Gehalt. Denn Job-Sharing bedeutet mitnichten eine starre 50-50-Entlohnung. Doch wer genau wie viel bekommt, bleibt Staatskanzlei-Geheimnis. Natürlich komme es auch mal vor, dass man mehr arbeite als vorgesehen. Das sei auch im Job-Sharing nicht vermeidbar. „Wenn es dringend ist, telefonieren wir auch“, sagt Degenhardt. Kein Wunder. Wer Personal einstellt und befördert, Einsparpotenziale sucht und nebenbei noch die Regierungsbildung begleitet, der hat auch als Job-Sharer ein strammes Programm. „Die letzten Wochen waren anstrengend.“

Und die Männer? „Die arbeiten beide in Vollzeit.“ Mit dem Job-Sharing-Modell ihrer Frauen gehen sie ähnlich um wie der restliche Bekanntenkreis: „unspektakulär“. „Ich glaube, mein Mann schätzt es, eine Partnerin zu haben, die auf eigenen Füßen steht“, sagt Degenhardt. Ob sich Job-Sharing-Modelle auch irgendwann unter Männern durchsetzen werden? Kurzes Grübeln. Dann die Schlussfolgerung, dass man es vielleicht mit der Elternzeit vergleichen könnte. Die nähmen schließlich auch immer mehr Männer in Anspruch.

Doch so richtig Feuer und Flamme für diesen Gedanken sind die beiden nicht. Ihr Fokus liegt woanders. „Viele hochqualifizierte Frauen werden ausgebremst, wenn sie Kinder bekommen“, sagt Folz. Degenhardt nickt. Beide wünschen sich, dass mehr Frauen diese „Chance ergreifen“. Deshalb sind sie auch froh und dankbar, es ihren Töchtern vorleben zu können. „Meine Tochter kommt in den Ferien auch mal mit zur  Arbeit“, berichtet Folz. Heißt konkret: in zwei helle Büroräume im zweiten Stock. Symmetrisch angeordnet, gleich groß, beide mit Blick auf die Ludwigskirche. Die Kommunikation? „In Rufweite“, sagt Folz und lacht. Nur ein paar Meter trennen sie voneinander. Und eine Kollegin, die in der Mitte sitzt. Jemanden, der ab und zu dazwischengeht, brauchen die beiden Frauen jedoch nicht. „Wir haben uns noch nie gestritten“, sagt Folz. Kurzer Blick nach rechts.  „Oder?“ „Nein!“ Und wenn, dann nur „Diskussionen über Berufliches“.

Zu besprechen gibt es ab diesem Sonntag etwas mehr als sonst. Die Abteilung A, derzeit noch von einem Mann geführt, umfasst fünf Referate. Für die beiden Frauen ein Anstieg von sieben auf 32 Mitarbeiter. Personalentwicklung, Haushalt, Verwaltungsrecht. Viel Koordinationsbedarf. Schon nervös? Nicht wirklich. Hier ergänzen sich zwei Profis. Zwei Volljuristinnen. Zwei, die auch mal lebendiger als üblich diskutieren und dann nach außen hin mit einer Stimme sprechen.

Sie hoffen, dass ihre Botschaft auch jenseits der Staatskanzlei ankommt. Bei möglichst vielen Frauen. Bei ihren Töchtern und deren künftigen Arbeitgebern.

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