Zusammen und doch entzweit

St Petersburg · Eigentlich war das Gespräch schon abgeblasen. Jetzt setzten sich US-Präsident Obama und Kremlchef Putin beim G20-Gipfel doch zusammen, um über die Syrien-Krise zu sprechen. Eine Einigung fanden sie nicht.

Schon der Auftritt von US-Präsident Barack Obama stößt den Gastgebern beim G20-Gipfel in St. Petersburg auf. Statt des Gipfel-Abzeichens trägt der Gast eine US-Flagge am Revers. Anstelle der offiziellen Limousinen nutzt er für die Fahrt zum prunkvollen Konstantinpalast einen gepanzerten Cadillac mit Washingtoner Kennzeichen. Und dann noch der einsame Gang zum Gipfelessen, verspätet, wie das russische Staatsfernsehen kritisch anmerkt. Obama wirkt in der Heimatstadt seines Gastgebers Wladimir Putin wie ein Fremder, der die Russen bis aufs Äußerste reizt. Zumindest aber erfüllt sich nach einer Zitterpartie quasi im letzten Moment, bevor beide vor die versammelte Weltpresse treten, doch noch ein Wunsch Putins: ein Einzelgespräch mit Obama, das dieser noch vorher abgelehnt hatte. Putin betont noch, dass beide sich für die halbstündige Runde sogar hingesetzt hätten. Das Thema: nur Syrien. Aber Distanz und Konfrontation bleiben - Obama kann Putin nicht von einem US-Militärschlag gegen Syrien überzeugen. Umgekehrt scheitert Putin damit, den Friedensnobelpreisträger von den Kriegsplänen abzubringen. Gespalten ist das ganze G20-Lager.

Gleichwohl bleibt Syrien nicht das einzige Konfliktthema zwischen Obama und Putin. Dass Obama sich demonstrativ mit Menschenrechtlern verabredet, darunter auch mit Homosexuellen, sorgt für Unmut bei den Russen. Es gebe doch gar kein Problem mit Homosexualität in Russland, betont Putins Sprecher Dmitri Peskow. Problematisch sei aber, wenn jemand positiv über gleichgeschlechtliche Lebensweise vor Kindern rede. Deshalb stelle ein neues Gesetz so bezeichnete Homo-Propaganda unter Strafe. Gleichwohl behauptet Putin schon vor Obamas Gipfelbesuch in einem Interview, dass niemand in seinem Land sexuell oder anders diskriminiert werde. "Sie sind absolut vollwertige und gleichberechtigte Bürger Russlands", meint Putin.

Homosexuellen-Aktivisten hören das zwar gern, wundern sich aber, wie Putin darauf kommt. Auch Menschenrechtler beklagen ein Klima des Hasses sowie zunehmender Gewalt bis hin zum Mord gegen Angehörige sexueller Minderheiten, wie sie hier offiziell genannt werden. Der Moskauer Schwulen-Aktivist Nikolai Alexejew würde Putin am liebsten Listen überreichen mit Schicksalen von Diskriminierungs-Opfern. Viele hätten zum Beispiel wegen ihrer sexuellen Orientierung ihren Job verloren, sagt Alexejew. Dass ein Treffen Homosexueller mit Obama an ihrer Lage in Russland etwas ändern werde, daran glaubt er allerdings nicht. Eher im Gegenteil: Die USA gelten für viele Russen, die noch dem Denken des Kalten Krieges verhaftet sind, als Feinde.

"Sie rennen, um ihren Herren die Stiefel zu lecken", twittert der prominente St. Petersburger Politiker Witali Milonow zu Obamas "Schwulen-Termin". Als russlandweit bekannter Kämpfer gegen Homosexualität nennt er die Aktivisten "Verräter". Sein Rat für Obama: Statt sich um Homosexuelle in Russland zu kümmern, sollte der US-Gast lieber auf einen Militärschlag gegen Syrien verzichten, um dort nicht noch mehr Menschen zu töten. Doch Obama zeigt sich unbeirrt. "Unsere schwulen und lesbischen Brüder und Schwestern müssen vor dem Gesetz gleich behandelt werden", betonte er schon auf dem Weg zum Gipfel bei einem Stopp in Schweden. Zwar hatte der US-Präsident in der Vergangenheit selbst lange gezögert, letztlich aber zum Beispiel die Rechte sogar von homosexuellen US-Soldaten ausgeweitet. Undenkbar in Russland.

Dass Russland aber auch anders kann, beweisen die Behörden am Freitag. Aktivisten durften unter Polizeischutz demonstrieren: "Stopp Homophobie in Russland!" und "Danke für die Solidarität" war auf Plakaten zu lesen. Sie hoffen, dass solche Kundgebungen auch im Alltag möglich werden - wenn kein Gipfel ist.

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