US-Senator gestorben Amerika trauert um den unbeugsamen Senator John McCain

Washington · Es war ein kühler Herbsttag in Philadelphia, und John McCain hielt seine letzte große Rede. In der Stadt, in der die Gründungsdokumente der amerikanischen Republik zu Papier gebracht wurden, sprach er von einem erstaunlichen Land, in dem alles möglich sei, auch, dass der Schlechteste seiner Klasse an der Flottenakademie Präsidentschaftsbewerber einer großen Partei werden könne.

         Der Republikaner John McCain ging seinen eigenen Weg – auch im offenen Konflikt mit Präsident Trump. Der Senator starb am Samstag mit 81 Jahren.

Der Republikaner John McCain ging seinen eigenen Weg – auch im offenen Konflikt mit Präsident Trump. Der Senator starb am Samstag mit 81 Jahren.

Foto: AP/Wong Maye-E

Er meinte sich selber, grinste sein unverwechselbares John-McCain-Grinsen – und wurde grundsätzlich. Es sei unpatriotisch, Ideale aufzugeben, die man rund um den Globus vorangebracht habe, um einem „halbgaren, fadenscheinigen Nationalismus zu genügen, aufgekocht von Leuten, die lieber nach Sündenböcken suchen, statt Probleme zu lösen“, mahnte der 81-Jährige, der damals längst wusste, dass er an einem unheilbaren Hirntumor litt.

Den Namen Trump hat er in Philadelphia nicht erwähnt, und doch wusste jeder, wen sich der Senator da vorknöpfte. Einen Präsidenten, der Neonazis auf eine moralische Stufe mit linken Gegendemonstranten gestellt hatte. Und während die meisten Republikaner Kritik an dem Populisten im Oval Office nur hinter vorgehaltener Hand äußerten, redete McCain Tacheles. Wie so oft.

Maverick war sein Spitzname. In der texanischen Viehzucht steht der Name für Rinder, die kein Brandzeichen tragen, keiner Herde folgen. John Sidney McCain III war stolz, wenn sie ihn so nannten. Er war ein konservativer Republikaner, aber eben auch ein unabhängiger Kopf, der ohne Umschweife sagte, was ihm durch den Kopf ging. Ohne sich um die Parteilinie zu scheren. Viele solcher Originale gibt es nicht mehr im US-Kongress mit seinen tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern. Auch deshalb fühlt sich der Tod McCains an wie das Ende einer Ära.

1982 wurde er zum Abgeordneten gewählt, 1986 zum Senator. Im Jahr 2000, er bewarb sich erstmals für die Präsidentschaft, kam er nicht über die Vorwahlen hinaus, besiegt von George W. Bush. 2008 kürten ihn die Republikaner zwar zum Kandidaten fürs Weiße Haus, doch diesmal verlor er gegen Barack Obama, den Hoffnungsträger. McCain, ein glühender Befürworter der Irak-Invasion, stand für ein Kapitel amerikanischer Hybris, das eine ernüchterte Mehrheit der Wähler nur noch beenden wollte. Im Schock der Finanzkrise redete er so unbeirrt von der Großartigkeit Amerikas, dass sich der Eindruck aufdrängte, der Mann habe den Ernst der Lage nicht annähernd begriffen. Gleichwohl ließ er sich nie dazu herab, Kontrahenten persönlich zu attackieren.

Der Maverick McCain, im Parlament hat er Brücken über Parteienschluchten gebaut, wann immer er Reformen für richtig hielt. Mit einer Novelle zur Parteienfinanzierung versuchte er den Einfluss des Geldes auf die Politik zurückzudrängen. Was letztlich scheiterte. 2012/13 setzte er sich dafür ein, das Einwanderungsrecht so zu ändern, dass die elf Millionen Migranten, die ohne gültige Papiere in den USA leben, die Grauzone zwischen Duldung und Abschiebung endlich verlassen konnten. Auch dieser Anlauf führte zu nichts. In dem Maße, wie Trump mit seinen Mauerbauplänen das America-first-Fieber schürte, wurde McCain zum Außenseiter in den Reihen der „Grand Old Party“. Eine Rolle, die er genoss.

Im Juli 2017, der Senat hatte über das Schicksal von Obamas Gesundheitsreform zu befinden, trat er vor, im Gesicht noch die frischen Narben einer Krebsoperation, ließ seine Hand eine Weile flattern – und senkte schließlich den Daumen, gegen die eigenen Parteifreunde stimmend. Eine spektakuläre Geste, die das Aus für „Obamacare“ vorübergehend verhinderte.

Dass ihn viele als Helden verehren, hat mit Vietnam zu tun. 1967 wurde das Kampfflugzeug, an dessen Steuerknüppel er saß, über Hanoi abgeschossen. McCain katapultierte sich aus der Maschine, brach sich beide Arme und ein Bein und geriet in Kriegsgefangenschaft. Irgendwann machte die nordvietnamesische Regierung ihm, dem Sohn eines Flottenadmirals, das Angebot, früher als seine Kameraden entlassen zu werden. McCain lehnte ab, es hätte gegen seinen Ehrenkodex verstoßen. Er blieb.

Auch für Amerikaner, die politisch nichts mit ihm am Hut haben, ist er damit der Gegenentwurf zu Trump, der sich einen Fersensporn attestieren ließ, um Vietnam zu entgehen. Die beiden trennt bis zuletzt vieles. Trump, soll McCain schon Monate vor seinem Tod verfügt haben, möge seiner Trauerfeier bitte fernbleiben.

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