Zum Geburtstag viel Harmonie

Rom · Zum 60. demonstrierte die EU in Rom Einigkeit und Optimismus. Doch die Krisenstimmung dürfte schon bald zurückkehren.

 Wie vor 60 Jahren: Die Vertreter der EU-Staaten unterzeichneten in Rom eine gemeinsame Erklärung. Auch Kanzlerin Angela Merkel (l.) unterschrieb – in demselben Saal, in dem 1957 Kanzler Konrad Adenauer die „Römischen Verträge“ zur Gründung des EU-Vorläufers abzeichnete. Foto: Bergmann/Bundesregierung/dpa

Wie vor 60 Jahren: Die Vertreter der EU-Staaten unterzeichneten in Rom eine gemeinsame Erklärung. Auch Kanzlerin Angela Merkel (l.) unterschrieb – in demselben Saal, in dem 1957 Kanzler Konrad Adenauer die „Römischen Verträge“ zur Gründung des EU-Vorläufers abzeichnete. Foto: Bergmann/Bundesregierung/dpa

Foto: Bergmann/Bundesregierung/dpa

(dpa) Pomp, Zeremoniell und Sonnenschein: Man kann das Ergebnis der Feierlichkeiten zum 60. EU-Geburtstag dürftig nennen und die "Erklärung von Rom" vorhersehbar. Auch die Tatsache, dass der Jubiläumsgipfel der Europäischen Union nach wenigen Stunden vorbei ist, spricht nicht für bahnbrechende Ergebnisse. Und doch ist es mehr als ein Hauch von Geschichte, der am Samstag über dem römischen Kapitolshügel weht. Das staatstragende Jubiläum entfacht ungeahnte Emotionen bei Gegnern und Befürwortern.

"Ich bin genau vor 60 Jahren geboren" - mit dieser Feststellung beginnt der polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk seine Festrede. Tusk ist im April 1957 in Danzig geboren, einer Stadt, die in Hunderten Jahren von Polen und Deutschen, Holländern und Juden, Schotten und Franzosen erbaut worden sei. Im März 1945 zerstörten Hitlers und Stalins Truppen Danzig in wenigen Stunden. Man hat das alles schon gehört - und doch gelingt Tusk ein eindringlicher Appell. Für Millionen Menschen, auch die, die an diesem Samstag in Europa für die europäische Einigung demonstrierten, sei die EU eben kein Verein für leere Sprüche, Regulierungen und Bürokratie. "Unsere Union ist die Garantie, dass Freiheit, Würde, Demokratie und Unabhängigkeit nicht nur Träume sind, sondern tägliche Realität."

"Ein bisschen eng hier in diesem Raum", scherzt der italienische Ministerpräsident und Gastgeber Paolo Gentiloni im Saal der Horatier und Curiatier. Und erinnert damit daran, dass es 1957 sechs Länder waren und heute 27 sind, die das Projekt Europa mitgestalten. 60 Jahre europäischer Einigungsprozess sind ein Erfolg, der die Erwartungen der europäischen Gründungsväter weit übertroffen hat, und die Europäische Union darf sich ruhig einmal dafür beglückwünschen. Nicht nur Kanzlerin Angela Merkel findet das Ereignis "sehr bewegend vor dieser historischen Kulisse".

Bewegt sind auch die Demonstranten außerhalb des streng abgeriegelten Gipfelgeländes, sowohl Freunde Europas als auch Gegner. Etwa 30 000 sollen es gewesen sein, und 5000 Sicherheitskräfte. Zusammenstöße können verhindert werden, aber die Kundgebungen sind auch ein Spiegel der zerrissenen italienischen Gesellschaft. Auch viele der Pro-Europäer verlangen einen Neustart der Gemeinschaft, raus aus dem "Brüsseler Tal der Tränen", wie es EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker formuliert hat. "Das Jubiläum muss ein Punkt des Aufbruchs sein", sagt Elisa, 33, aus Verona. Empörung ist zu spüren bei den Gegendemonstranten. "Die EU ist ein Instrument der Märkte und zerstört die Zukunft der Jugend", sagt Francesco auf der Demo "Eurostop". Zeitungen sprechen angesichts der massiven Polizeipräsenz von einer "gepanzerten Stadt". Doch die große Randale bleibt aus.

Der Festakt selbst geht wohlgeordnet und heiter über die Bühne. Kommissionschef Juncker unterzeichnet die Erklärung zum Jubiläum mit einem historischen Füllfederhalter - genau dem, den die Delegation seines Heimatlandes Luxemburg vor 60 Jahren genutzt hatte. Luxemburg, Deutschland und die anderen vier Gründerstaaten schufen damals die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo unterzeichnet nicht ohne Anspielung auf ihren vorigen Protest. Nach der Unterschrift breitet sie die Arme aus, was wohl so viel heißt wie "Na, seht ihr". Szydlo hatte vorab damit gedroht, nicht zu unterschreiben.

Mal wieder hat die EU die Kurve gekriegt - vorerst. Den Stolz auf Erfolge der Vergangenheit, die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft, das alles wird die Staatengemeinschaft noch bitter nötig haben in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten. Am Mittwoch wird Großbritannien seinen offiziellen Austrittsantrag in Brüssel einreichen. Und bald stellt sich in Frankreich die Europagegnerin Marine Le Pen zur Wahl. Europa muss um sich kämpfen.

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