Zu Besuch bei der alten Dame

Paris. Die "Stinkbombe" ist hochgegangen. So hatte Nicolas Sarkozy die Anschuldigungen gegen ihn bezeichnet, im Wahlkampf 2007 illegale Spenden von der L`Oréal-Erbin Liliane Bettencourt angenommen zu haben. Das seien haltlose Versuche, ihn politisch zu schwächen

 Ex-Präsident Nicolas Sarkozy: Manipulierte er eine demente alte Frau? Foto: langsdon/dpa

Ex-Präsident Nicolas Sarkozy: Manipulierte er eine demente alte Frau? Foto: langsdon/dpa

Paris. Die "Stinkbombe" ist hochgegangen. So hatte Nicolas Sarkozy die Anschuldigungen gegen ihn bezeichnet, im Wahlkampf 2007 illegale Spenden von der L`Oréal-Erbin Liliane Bettencourt angenommen zu haben. Das seien haltlose Versuche, ihn politisch zu schwächen. Der Untersuchungsrichter Jean-Michel Gentil sieht das anders: Nach einer Gegenüberstellung mit Bettencourts früherem Personal leitete er ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Präsidenten ein, der im Mai 2012 nicht nur die Wahl, sondern auch seine Immunität verloren hat. Sarkozy steht im Verdacht, die Schwäche der 90-jährigen Milliardärin ausgenutzt zu haben, um sich seine Kampagne sponsern zu lassen. Laut ärztlichem Gutachten leidet Bettencourt, die heute unter Vormundschaft steht, seit 2006 unter Demenz.

"Ein Donnerschlag", kommentierte die französische Presse. Die Korruptionsaffäre hatte bereits Sarkozys Amtszeit belastet. Ex-Arbeitsminister Eric Woerth, einst Schatzmeister der konservativen Partei UMP und zuständig für die Wahlkampf-Kasse, musste zurücktreten. Gegen insgesamt 17 Personen wird ermittelt, darunter nun auch Sarkozy. Vor der Wahl 2007 soll er mehrmals Liliane Bettencourt und ihren inzwischen verstorbenen Mann André in ihrer Villa im Pariser Nobel-Vorort Neuilly-sur-Seine besucht haben. Der ehemaligen Buchhalterin Bettencourts, Claire Thibault, zufolge gingen Politiker dort ein und aus, um sich Kuverts mit Bargeld zustecken zu lassen. Sarkozy selbst spricht von einem einzigen Besuch. "Die Bettencourts haben mir niemals auch nur einen Cent gegeben und ich habe auch nie darum gebeten", hat er erklärt.

Das Personal widerspricht ihm. Thibault hat ausgesagt, den Auftrag erhalten zu haben, 150 000 Euro für Sarkozy abzuheben. Auch ein Tagebuch-Eintrag eines Freundes von Bettencourt belastet ihn: Er habe schon wieder nach Geld gefragt, heißt es darin. Bettencourt profitierte später massiv von seiner Steuerpolitik.

Sarkozys Anwalt Thierry Herzog beklagte die "skandalöse" Behandlung seines Mandanten und kündigte sofortigen Einspruch an. Der Ex-Präsident verstehe die Entscheidung nicht, erklärte UMP-Parteichef Jean-François Copé nach einem Telefongespräch mit ihm. Parteifreunde sehen darin eine Revanche der Justiz und ein politisches Manöver seiner Gegner.

Obwohl Sarkozy bei seiner Abwahl erklärt hatte, man werde künftig nichts mehr von ihm hören, reißen die Spekulationen um ein Comeback nicht ab, da weiter unklar ist, wie er seine berufliche Zukunft gestalten will. Nicht nur Parteifreunde nähren diese, vor allem mit offener Kritik an seinem Nachfolger François Hollande. Auch der Ex-Staatschef selbst erklärte kürzlich, er habe zwar "überhaupt keine Lust", zurück in die Politik zu kommen - werde aber möglicherweise dazu gezwungen sein, wenn es mit Frankreich weiter bergab gehe. In Umfragen liegt er, der vor einem Jahr unbeliebter war als jeder Präsident vor ihm, inzwischen wieder vor Hollande. Und dass er auch in den Reihen der Bürgerlich-Konservativen eine Lücke hinterlassen hat, zeigte der bittere Streit um den Parteivorsitz zwischen Ex-Premierminister François Fillon und dem bisherigen Generalsekretär Copé.

Das Ermittlungsverfahren kommt für Sarkozy deshalb zur Unzeit. Sollte die Justiz Anklage erheben, würde der Vorwurf, eine demente alte Frau manipuliert zu haben, sein Image derart schädigen, dass sich die Planspiele um eine Rückkehr völlig erledigen.

Er ist bereits der zweite Ex-Präsident, der ins Visier der Justiz gerät. Jacques Chirac wurde 2011 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er in seiner Zeit als Bürgermeister von Paris ein System von Scheinstellen und Gefälligkeitsjobs unterhalten hatte. Doch während Chirac diese Schmach nach seiner Karriere erlitt, hat der 58-jährige Sarkozy noch Ambitionen. Doch sein Name fällt auch in Affären um Schmiergeldzahlungen bei Waffengeschäften mit Pakistan oder im Zusammenzhang mit Vetternwirtschaft bei Aufträgen für Meinungsumfragen. Sollte das Gericht nun tatsächlich Anklage erheben, wird der Verweis auf fiese "Stinkbomben" nicht mehr reichen, um sein Ansehen zu bewahren.

Meinung

Sarkozy vor dem Aus

Von SZ-Korrespondentin

Birgit Holzer

 Ex-Präsident Nicolas Sarkozy: Manipulierte er eine demente alte Frau? Foto: langsdon/dpa

Ex-Präsident Nicolas Sarkozy: Manipulierte er eine demente alte Frau? Foto: langsdon/dpa

Die Aufnahme von Ermittlungen gegen Sarkozy kein Jahr nach seiner Abwahl erschüttert Frankreich, doch sie ist das Zeichen einer funktionierenden, unabhängigen Justiz. Bei seinem Vorgänger Chirac stand der Korruptionsverdacht jahrelang im Raum und drohte bewusst abgewürgt zu werden, bis es doch noch zur Anklage kam - zur Überraschung aller. Mit der ersten Anklage eines Ex-Präsidenten war ein Tabu gebrochen. Sarkozy hat bei seinem Abgang erklärt, er wolle wieder ein Bürger wie jeder andere sein. Wie jeder andere muss er sich also den Vorwürfen stellen und sollte keine Sonderbehandlung erwarten. Lässt die Justiz den Verdacht gegen ihn fallen, ist er diesen dauerhaft los. Wird er sich erhärten, droht ihm endgültig das politische Aus. Denn der Vorwurf, eine kranke alte Frau für seine Zwecke manipuliert zu haben, würde sein Image zerstören.

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