Ziemlich beste Europäer

Brüssel · Beide kämpfen um den Posten des Präsidenten der EU-Kommission. Und wenn Juncker und Schulz aufeinandertreffen, fliegen schon mal verbal die Fetzen. Am Ende finden aber beide immer einen Nenner: die Rettung Europas.

Wochenlang tingelten sie über die Marktplätze Europas: Martin Schulz (58) und Jean-Claude Juncker (59). Beide aus demselben Grund: Jeder will der nächste Präsident der europäischen Kommission sein. Natürlich für unterschiedliche Parteien: Schulz tritt für die europäischen Sozialdemokraten an und Juncker für die Konservativen. Doch auch einen Tag nach der Europawahl steht nicht fest, wer den begehrten Posten nun einheimsen wird. Klar ist nur: Beide sind Schwergewichte der Brüsseler Diplomatie.

Der gelernte Jurist Juncker hat in der Politik schon vieles erlebt und Wichtiges getan. Der Übervater der Christsozialen amtierte als Premierminister Luxemburgs 18 Jahre lang - bis zu seiner Abwahl 2013. Er hat den Vertrag von Maastricht und den Euro miterfunden, war von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Eurogruppe. Juncker gilt als geschickter "Strippenzieher" und "Netzwerker". Berührungsängste zur Sozialdemokratie kennt er nicht. "Wir müssen die soziale Dimension des Binnenmarktes und der Währungsunion weiterentwickeln", lautet eines seiner Ziele. Das soll Wachstum und Arbeitsplätze bedeuten, aber auch Haushaltskonsolidierung. "Ich bin gegen Sozialdumping und für einen Mindestlohn in allen Ländern. Aber es gibt keine Alternative zur Haushaltskonsolidierung", lautet sein Credo. Die EU-Erweiterung sieht er als Akt der Stabilisierung und Befriedung Europas - auch durch Abbau sozialer Spannungen.

Schulz ist ein Europabegeisterter. Für den gelernten Buchhändler aus Würselen im Dreiländereck lagen die Grenzen immer direkt vor der Haustür - für ihn ist das grenzenlose Europa von heute nicht Selbstverständlichkeit, sondern Aufforderung zu politischer Arbeit. Seit 1994 gehört er dem EU-Parlament an. Über die Jahre hinweg hat der Sozialdemokrat sich einen Ruf als wortgewaltiger Lautsprecher erworben. Seit er 2012 Präsident des Parlaments wurde, wandelte sich Schulz zum Staatsmann - oft überparteilich agierend. Die sozialdemokratischen Überzeugungen sind dennoch geblieben. Er tritt als vielsprachiger Kämpfer gegen die Mauschelei der Regierenden an, als Kämpfer für mehr Arbeitsplätze und mehr Wohlstand - gerade bei den ärmeren EU-Bürgern. Kleinere Unternehmen müssten besseren Zugang zu Krediten bekommen, um wieder investieren zu können. Die Spekulanten und das Bankensystem, verantwortlich für die Finanzkrise, müssten auch für deren Folgen zahlen.

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