Zerbricht Schwarz-Grün in Hamburg an Kohlekraftwerk?

Hamburg. So mancher fühlt sich belogen und betrogen. Monatelang waren Grünen-Wahlkämpfer durch Hamburg gezogen, hatten auf Infoständen vor Einkaufszentren, auf Wochenmärkten und in Mehrzweckhallen Glaubwürdigkeit versprochen und wieder und wieder gepredigt: Nein, niemals, mit der Grün-Alternativen-Liste (GAL) wird es kein Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg geben

Hamburg. So mancher fühlt sich belogen und betrogen. Monatelang waren Grünen-Wahlkämpfer durch Hamburg gezogen, hatten auf Infoständen vor Einkaufszentren, auf Wochenmärkten und in Mehrzweckhallen Glaubwürdigkeit versprochen und wieder und wieder gepredigt: Nein, niemals, mit der Grün-Alternativen-Liste (GAL) wird es kein Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg geben. Die damalige GAL-Fraktionsvorsitzende und heutige Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch sagte gar für den Fall einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu: "Wir legen uns fest. Mit uns wird keine Erlaubnis für das Kraftwerk erteilt werden." Genau das ist nun aber passiert. Knapp fünf Monate nach dem Start von Deutschlands erster schwarz-grüner Koalition auf Landesebene erteilt mit Umweltsenatorin Anja Hajduk auch noch ausgerechnet eine Grünen-Politikerin dem Energiekonzern Vattenfall die Erlaubnis zum Bau des als "Klima-Killer" geächteten Kohlekraftwerks im Süden der Stadt - und stürzt das bislang einzigartige Regierungsbündnis in seine erste ernste Krise. Haben doch enttäuschte Anhänger der basisdemokratisch organisierten Grünen-Partei gedroht, das Bündnis mit der CDU auf der für den 9. Oktober geplanten Mitgliederversammlung platzen lassen zu wollen.Vorwurf des Wortbruchs Hajduk weist den Vorwurf des Wortbruchs zurück: "Wir haben Chancen gesehen, aber Chancen sind keine Gewissheiten." Sie sei persönlich enttäuscht. Aber aus rechtlichen Gründen sei der Bau des Kraftwerks nicht zu verhindern gewesen. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und seine damalige CDU-Alleinregierung hatten vor der Wahl Vattenfall am 14. November 2007 einen vorzeitigen Baubeginn gestattet. Die Frist bis zur endgültigen Genehmigung des Kraftwerks an der Süderelbe legten sie auf den 10. März 2008 fest. Am Stichtag dann - CDU und Grüne standen kurz vor ihrem ersten Koalitionsgespräch - erhielt der Konzern jedoch statt eines Bescheids für die immissions- und wasserrechtliche Genehmigung erst eine Fristverlängerung bis zum 10. Juni, dann bis zum 10. September. Vattenfall reichte daraufhin beim Hamburger Oberverwaltungsgericht eine Untätigkeitsklage ein, bekam von den Richtern sogar sachte Zustimmung signalisiert und drohte mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe. Nach eigenen Angaben hatten die Schweden bereits 300 Millionen Euro investiert und für rund 1,6 Milliarden Euro Aufträge erteilt. Nun darf Vattenfall das Kraftwerk also fertig bauen - wenn auch unter hohen Auflagen. So muss der Energiekonzern das Kohlekraftwerk an durchschnittlich 250 Tagen im Jahr mit gedrosselter Leistung betreiben. Ob das reicht, die enttäuschten Grünen zu besänftigen? "Ich glaube, dass letztlich die Partei bei aller sachlichen Unzufriedenheit das Argument nicht von der Hand weisen kann, dass vorhandenes Recht nicht gebrochen werden kann", sagte der GAL-Vordenker, Willfried Maier, dem NDR. Die Zukunft des Schwarz-Grünen-Bündnisses wird frühestens auf der Mitgliederversammlung am 9. Oktober entschieden - wenn wütende Parteimitglieder ein paar Mal über die Sache geschlafen und sich die Wogen etwas geglättet haben.

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