„Zeichen für eine gewisse Zufriedenheit“

Für den Trierer Politik-Professor Axel Misch zeigen die konstanten Ergebnisse der Sonntagsfrage auch: Die große Koalition steht auf soliden Füßen – im Bund wie im Saarland. Der Parteienexperte sprach mit SZ-Redakteurin Iris Neu.

Herr Misch, seit Monaten sind die Sonntagsumfragen weitgehend konstant. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Misch: Ein schlechtes Zeichen ist es sicher nicht. In einigen Ländern Europa sehen wir, dass einer starken Fluktuation von politischen Stimmungen negative Ereignisse vorausgehen. Nehmen wir Frankreich. Vor mehreren Wochen war der Präsident in einem historischen Stimmungstief. Nach den Attentaten in Paris hat er einen beispiellosen Sprung nach oben gemacht - um 20 Prozent. Diese Langeweile bei den Umfragen kann also auch als Zeichen für eine gewisse Zufriedenheit gewertet werden.

Was bedeutet dieses ruhige Fahrwasser bei den Umfragen beispielsweise für das verschuldete Saarland ? Könnte diese Wähler-Konstanz nicht auch zu einer Erlahmung des Politikbetriebs führen?

Misch: Nein, im Saarland kann der Politikbetrieb eigentlich nicht erlahmen. Dort ist ja ein sehr starker Handlungszwang durch die Schuldenbremse bis 2020 gegeben. Und je näher das Datum rückt, desto stärker wird der Handlungszwang.

Würden Sie also auch vor diesem Hintergrund eine Neuauflage der großen Koalition im Saarland nach der nächsten Wahl prognostizieren?

Misch: Ich sehe für das Saarland keine andere politische Konstellation als die große Koalition. Die SPD hat sich zähneknirschend damit abgefunden, dass die Schuldenbremse Verfassungsrecht ist. Eine rot-rote Koalition - selbst wenn sie rechnerisch möglich wäre -, käme wohl wegen ihrer großen inneren Bruchlinien kaum zustande. Und die Grünen liegen bei um die fünf Prozent. Die Alternativen im Saarland zu einer großen Koalition sind also denkbar gering.

Und Ihre Prognose zur großen Koalition im Bund?

Misch: Nach meiner Einschätzung ist durchaus wahrscheinlich, dass auch nach den nächsten Bundestagswahlen 2017 eine große Koalition in Berlin regiert. Ob Rot-Rot-Grün zustande käme, ist äußerst fraglich, denn die Risse, insbesondere in der Außenpolitik, zwischen Linkspartei einerseits und SPD und Grünen andererseits werden ja eher größer als kleiner. Eine andere Alternative wäre Schwarz-Grün - das möchte ich auch nicht ausschließen.

Die Meinungsforscher sehen allenfalls Veränderungen bei AfD und FDP . Löst die AfD die FDP endgültig ab?

Misch: Die AfD ersetzt die FDP nicht. Letztere ist ja in der Mitte des Parteienspektrums platziert. Sie war prinzipiell koalitionsfähig - sowohl mit der Union als auch mit der SPD . Die AfD ist rechts von der Union platziert, sie ist für die Parteien links von der Union keinesfalls Bündnispartner. Und für die Union aus heutiger Sicht auch nicht.

Hat die FDP noch eine Chance?

Misch: Die FDP befindet sich inzwischen unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle. Die Ausgangslage für die FDP ist denkbar schlecht.

Trotz dieser "Phase der Erstarrung" gibt es derzeit viel Wirbel um Pegida und Co. Apolitisch scheinen die Menschen ja nicht zu sein. Wie passt das zu den jüngsten Umfragen?

Misch: Die Sonntagsfrage misst letztlich nicht die Zahl derjenigen, die gar nicht mehr zur Wahl gehen. Und wir haben einen ansteigenden Anteil an Menschen, die wiederkehrend nicht zur Wahl gehen, die mit der Politik abgeschlossen haben. In Sachsen, wo die Pegida-Organisation zu Hause ist, lag die Wahlbeteiligung zuletzt bei 50 Prozent. Diese niedrige Wahlbeteiligung zeigt, dass es ein Potenzial an politischer Entfremdung und Unzufriedenheit gibt, das - wenn es mobilisiert werden kann - zu erheblichen Eruptionen führen kann.

Also bedeutet Beständigkeit in Umfragen doch nicht zugleich politische Zufriedenheit?

Misch: Es überwiegt Zufrieden heit, aber mit einem unterschätzten Potenzial an Sorge und Ängsten in Teilen der Bevölkerung - die sich in Organisationen wie Pegida spiegeln. Aber die Umfragen zeigen deutlich, dass die große Koalition, anders als zuvor Schwarz-Gelb, nicht an Zustimmung verloren hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort