Zähe Nachverhandlungen über Schuldenbremse

Berlin. Eigentlich war die Föderalismuskommission vergangene Woche mit dem Vorsatz auseinander gegangen, nur noch ein paar Details zur verabredeten Schuldenbremse klären zu müssen. Doch in den folgenden Tagen schien sogar die Grundsatzeinigung wieder auf der Kippe zu stehen

Berlin. Eigentlich war die Föderalismuskommission vergangene Woche mit dem Vorsatz auseinander gegangen, nur noch ein paar Details zur verabredeten Schuldenbremse klären zu müssen. Doch in den folgenden Tagen schien sogar die Grundsatzeinigung wieder auf der Kippe zu stehen. Er halte die Schuldenbremse "ehrlich gesagt für höchst problematisch", gab Berlins Regierender Bürgermeister Klaus

Wowereit (SPD) zu Protokoll. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (CDU) forderte plötzlich, die Ost-Länder generell aus der Sache auszuklammern. Und wer wirklich an Konsolidierungshilfen interessiert ist, wie etwa das Saarland, der störte sich an ihrer vermeintlich zu geringen Höhe.

Damit stand die gestrige Sitzung des Gremiums unter keinem guten Stern. Bis in den frühen Abend hinein wurden schon als erledigt geglaubte Punkte wieder in Frage gestellt. Im Anschluss gab es eine längere Auszeit, in der die Ländervertreter zu separaten Besprechungen zusammen kamen. SPD-Fraktionschef Peter Struck, der die Kommission gemeinsam mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) leitet, merkte nach Teilnehmerangaben später eher "beiläufig" an, dass man für die letzten Feinheiten noch eine weitere Sitzung im März benötige.

Im Kern bleibt es aber dabei, dass die öffentliche Hand langfristig möglichst ohne neue Schulden auskommen will. Ein neuer Passus in der Verfassung soll deshalb lauten: "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen." Allerdings soll es Ausnahmen geben. Der Bund will für sich einen dauerhaften Verschuldungsspielraum von 0,35 Prozent des Bruttosozialprodukts festschreiben. Das wären nach heutigem Stand etwa acht Milliarden Euro. Eine Grenze, die der Bund zuletzt auch in guten Wirtschaftsjahren weit übertroffen hat.

Die Länder wiederum sollen ab 2020 gar keine Kredite mehr aufnehmen. Bei Naturkatastrophen und anderen unvorhersehbaren Ereignissen wie zum Beispiel einer starken Rezession kann davon aber abgewichen werden. In diesen Fällen ist jedoch ein Tilgungsplan unerlässlich. Über die konkreten Formulierungen und Mechanismen wurde gestern hinter verschlossenen Türen lange gerungen. Sonstige Abweichungen vom Null-Verschuldungs-Pfad sollen auf einem Kontrollkonto festgehalten werden. Wird ein bestimmter Wert überschritten, besteht die Pflicht zur Schuldenrückführung. Auch dazu lagen der Föderalismuskommission mehrere Formulierungsvorschläge vor.

Um die armen Länder in die Lage zu versetzen, langfristig ohne Neuverschuldung auszukommen, hatte man sich in der Vorwoche auf Konsolidierungshilfen von mindestens 800 Millionen Euro pro Jahr bis einschließlich 2019 verständigt. Sie sind von den reicheren Ländern und dem Bund zu tragen. Bei den armen Ländern entfallen 300 Millionen Euro auf Bremen, auf das Saarland 260 Millionen und auf Berlin, Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein jeweils 80 Millionen Euro. Die Vertreter Schleswig-Holsteins und des Saarlandes pochten gestern erneut auf einen ursprünglich diskutierten Finanzrahmen von jährlich 900 Millionen Euro, konnten sich aber nicht durchsetzen. Auch Mecklenburg-Vorpommern meldete einmal mehr Bedenken an, dass der Osten in den Hilfsfonds einbezogen wird. Hintergrund: Das Land hat aus eigener Kraft seine Neuverschuldung auf Null gesenkt, aber sicher nicht mit dem Ziel, nun als "Geberland" für Sachsen-Anhalt zu fungieren. Würde sich der Osten heraushalten, könnte Magdeburg aber keinerlei Hilfe erwarten. Dem widersprach Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) energisch. "Wir sind stolz darauf, in den Finanzausgleich einbezogen zu sein", sagte er. Daher verbiete es sich, "wieder mit separatistischen Lösungen anzufangen". Die übergroße Mehrheit sah das gestern genauso. Ungeachtet der Querelen soll nach Strucks Worten der Bundestag im März die Schuldenbremse beschließen. Im Juli könnte sich dann der Bundesrat, in dem eine Zwei-Drittel-Mehrheit gesichert scheint, abschließend damit befassen. "Wir sind stolz darauf, in den Finanzausgleich einbezogen

zu sein."

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU)

Hintergrund

Sollte sich die Föderalismuskommission in der Debatte um die zukünftige Schuldenbegrenzung zu einer Grundgesetzänderung durchringen, ist das Saarland gezwungen, auch seine Landesverfassung zu ändern. Diese Ansicht vertrat der Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes gegenüber der Saarbrücker Zeitung. "Wenn Artikel 109 des Grundgesetzes geändert würde, wäre das für das Saarland verbindlich", sagte Gröpl.

Wörtlich heißt es in einem entsprechenden Entwurf: "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen." "Wenn das so geändert würde, dann müsste das Saarland letztlich seine Verfassung ändern. Selbst wenn dies nicht geschehen sollte, würde Bundesrecht vorgehen", betonte Gröpl. jöw

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