Wohlfühl-Armee und Weißbuch für die Sicherheit

Berlin · Wochenlang musste sich Verteidigungsministerin von der Leyen mit Ausrüstungspannen der Bundeswehr herumschlagen. Jetzt geht sie in die Offensive – mit Wohltaten für die Soldaten und einer neuen Sicherheitspolitik.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat gerade angefangen, über die neue Rolle Deutschlands in der Welt zu reden, da heulen im Haus der Bundespressekonferenz die Sirenen. Im dritten Stock des Gebäudes hat ein Feuermelder einen Fehlalarm ausgelöst. Trotzdem müssen von der Leyen, ihre Entourage und mehr als 50 Journalisten raus - bis die Feuerwehr kommt.

Nach zehn Minuten Zwangspause kann von der Leyen weiterreden. Den Fehlalarm kommentiert sie leicht süffisant mit einer Bemerkung über die Pannen bei der Bundeswehr . "Das ist wie bei uns: Wenn ein Kratzer auf der Windschutzscheibe ist, dann wird die ganze Flotte gegroundet." Das klingt trotzig, aber auch erleichtert. Wochenlang musste sich von der Leyen mit dem schlechten Zustand der Bundeswehr-Ausrüstung herumschlagen und mit Großprojekten, die viel zu lange dauern und viel zu teuer werden. Jetzt kann sie endlich wieder über Positives reden: die Agenda für eine attraktivere Bundeswehr - ihr Lieblingsprojekt.

Keine vier Wochen nach ihrem Amtsantritt hatte die frühere Arbeitsministerin im Januar ein Versprechen abgegeben. "Mein Ziel ist es, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen." Mit dem "Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr " meint sie, dieses Versprechen einlösen zu können. Im Mai hatte sie einen ersten Maßnahmenkatalog vorgelegt, der einen Ausbau der Kinderbetreuung bei der Bundeswehr , Flachbildschirme für Soldatenstuben und Laptops für die Heimarbeit vorsah. Im Gesetz steht jetzt alles, was richtig viel Geld kostet: gesetzlich geregelte Arbeitszeiten samt Überstundenvergütung, Zusatzrente für Zeitsoldaten, höhere Zuschläge für schwere Jobs, Bleibeprämien für Fachkräfte.

Fast eine Milliarde Euro in vier Jahren will von der Leyen dafür ausgeben. Wo das Geld herkommen soll, ist allerdings unklar. An der Ausrüstung will sie keine Abstriche machen. "Das sind zwei Seiten einer Medaille: die Ausrüstung, das Material, und die Menschen." Bei den Soldaten kommen die Ankündigungen extrem gut an. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, schwärmt regelrecht, wenn er über seine Oberbefehlshaberin redet. "Auf einer Skala bis zehn ist sie bei acht, neun."

Von der Leyen hat an diesem Tag noch eine zweite Botschaft parat, und die ist überraschend. Die Bundesregierung will ihre Sicherheitspolitik noch in dieser Legislaturperiode auf eine neue Grundlage stellen. In einem Weißbuch soll festgeschrieben werden, was die deutschen Interessen sind, auf welche Herausforderungen Deutschland sich einstellen muss und welche Mittel es dafür vorhalten soll. Das letzte Grundsatzwerk stammt von 2006. Seitdem ist die Wehrpflicht ausgesetzt worden, die Afghanistan-Mission hat sich für die Bundeswehr zum Kriegseinsatz entwickelt, die Ukraine-Krise verändert gerade das Selbstverständnis der Nato .

Neben der Neuordnung des Rüstungssektors steht der Ministerin damit ein weiteres Mammutprojekt bevor. Das Weißbuch soll 2016 stehen, also in einer Zeit in der schon Wahlkampf ist - was die Aufgabe nicht gerade leichter erscheinen lässt.

Meinung:

Soldat - ein Hipster-Job

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Karl-Theodor zu Guttenbergs Argument, eine Berufsarmee sei billiger als ein Pflicht-Heer, also müsse man sich von der Wehrpflicht verabschieden, geht nicht auf. Sein Nachfolger als Verteidigungsminister, Thomas de Maizière, musste schon eine Milliarde Euro zahlen, um überzählige Offiziere loszuwerden. Und jetzt legt Amtsinhaberin Ursula von der Leyen erneut 300 Millionen Euro pro Jahr drauf, damit genügend Nachwuchskräfte kommen. Alte Haudegen werden den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass man zum Kommiss nicht mehr befohlen, sondern mit Kitaplätzen und Teilzeitarbeit geködert wird. Landesverteidigung als Hipster-Job. Und es wird noch schlimmer. Angesichts des demografischen Wandels ist klar, dass für das Heer künftig noch weniger gute Bewerber übrig bleiben. Und dann kommt wieder die Wehrpflicht - oder die Söldnerarmee.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort