Wohin mit dem gefährlichen Atommüll?

BERLIN · Radioaktiven Abfall will niemand haben. Doch irgendwo muss er gelagert werden. Umweltministerin Hendricks verspricht Bürgerbeteiligung.

 Welcher Standort ist am besten geeignet? Hier im Endlager Morsleben (Sachsen-Anhalt) stehen gelbe Fässer für Atommüll in 500 Metern Tiefe. Foto: dpa

Welcher Standort ist am besten geeignet? Hier im Endlager Morsleben (Sachsen-Anhalt) stehen gelbe Fässer für Atommüll in 500 Metern Tiefe. Foto: dpa

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Tief im Gestein sollen Hunderte Behälter mit hochradioaktivem Atommüll für eine Million Jahre lagern - sicher vor Erdbeben, Witterung oder Kriegen. Welcher Standort zwischen Alpen und Nordseeküste in Deutschland dafür am besten geeignet ist, soll bis 2031 herausgefunden werden. Das sieht ein Gesetzesentwurf vor, den Union, SPD und Grüne gestern in den Bundestag einbrachten.

Nachdem es lange eine Vorfestlegung auf den niedersächsischen Salzstock Gorleben als Endlager für den strahlenden Atommüll gab, soll nach den Worten von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nun ohne Scheuklappen an die "Jahrtausendaufgabe" herangegangen werden. "Leitprinzip ist die weiße Landkarte." "Wir betrachten das gesamte Bundesgebiet", erläuterte sie. "Wir bevorzugen keine Regionen. Wir schließen keine Regionen von vornherein aus." Auch der an dem Gesetzentwurf beteiligte CDU-Politiker Steffen Kanitz betonte: "Es gibt kein Bundesland, das sich aus der Suche verabschieden kann."

Nach der Festlegung über die finanzielle Beteiligung der Stromkonzerne an den Kosten des Atomausstiegs ist das Gesetz zur Endlagersuche ein weiterer wichtiger Schritt hinaus aus dem Atomzeitalter. Doch dieser Weg ist noch lang: Auf Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen soll nun deutschlandweit nach dem besten Standort gefahndet werden. Grundsätzlich kommen verschiedene tiefliegende Wirtsgesteine in Frage. Dass dieser Prozess bis 2031 abgeschlossen werden kann, glaubt selbst die an der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs beteiligte Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl nicht wirklich. Allein die zur Erarbeitung des Gesetzes notwendig gewesene Zeit lasse sie an der Zielvorgabe "doch sehr deutlich zweifeln", sagte die Abgeordnete. Die Geschichte der Anti-Atom-Proteste in Deutschland lassen zudem erahnen, dass die Entscheidung für einen Standort zur Lagerung der strahlenden Altlasten nicht ohne Kontroversen und Gegenwehr aus der Bevölkerung fallen wird. Hendricks verspricht: "Wir beziehen die Öffentlichkeit in jeder Stufe des Verfahrens ein." Die Ministerin kündigte eine "gesellschaftlich legitimierte Suche" auf Grundlage eines "umfassenden und transparenten Beteiligungsverfahrens" an. Der geplante Prozess zur Einbeziehung der Bevölkerung etwa mittels Konferenzen sei bisher "einmalig" in Deutschland. Es müsse nach einem sorgfältigen Verfahren der bestmögliche Standort gefunden werden, sagte Kotting-Uhl. "Das ist die einzige Möglichkeit, den Menschen, die dann in der Nähe leben, eine Antwort auf die Frage zu geben: ,Warum bei uns?'."

Kritik an den Plänen kam aus der Anti-Atombewegung sowie von der Linken, die als einzige der im Bundestag vertretenen Fraktionen den Gesetzentwurf nicht mit einbrachten. "Die Klagerechte der Bevölkerung werden eingeschränkt. Die Bundesländer verlieren an Einfluss", sagte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt, Jochen Stay. "Sogenannte Beteiligungs-Formate bieten keine Rechte auf Mitbestimmung." Der Linken-Politiker Hubertus Zdebel sieht ebenfalls "dringenden" Nachbesserungsbedarf. "Denn die Klagerechte für Bürgerinnen und Bürger bleiben unzureichend und Gorleben ist immer noch im Verfahren", sagte Zdebel.

Der niedersächsische Salzstock ist durch die neuen Pläne zwar von der bisherigen Vorfestlegung befreit, doch zur Sorge der Anwohner ist er weiterhin als Standort für Deutschlands Atommüll nicht ausgeschlossen.

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