Wo steht Occupy?

Frankfurt/Hamburg. Ein halbes Jahr steht das Protest-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) im Herzen Frankfurts bereits: Mit einer langen Tafel am "Platz der bunten Revolution" feiert sich die kapitalismuskritische Bewegung an diesem Sonntag selbst. Einen Höhepunkt soll der Protest um Himmelfahrt (16. bis 19. Mai) erreichen

 Ein Demonstrant mit Maske: Ein halbes Jahr nach ihrer Gründung ist unklar, wie es mit der Occupy-Bewegung weitergeht. Foto: dpa

Ein Demonstrant mit Maske: Ein halbes Jahr nach ihrer Gründung ist unklar, wie es mit der Occupy-Bewegung weitergeht. Foto: dpa

Frankfurt/Hamburg. Ein halbes Jahr steht das Protest-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) im Herzen Frankfurts bereits: Mit einer langen Tafel am "Platz der bunten Revolution" feiert sich die kapitalismuskritische Bewegung an diesem Sonntag selbst. Einen Höhepunkt soll der Protest um Himmelfahrt (16. bis 19. Mai) erreichen. Dann ist - mit Unterstützung aus anderen EU-Ländern - eine Blockade des Bankenviertels geplant. "Kein Bankangestellter wird seinen Arbeitsplatz erreichen", heißt es in einer Ankündigung.Die Aktionstage "Blockupy" sind auch ein Test für die Zukunft der Bewegung. Der Nordhesse Uwe (51) aus dem Camp vor der EZB hofft auf mehr als 15 000 Teilnehmer bei den "europäischen Tagen des Protestes gegen das Krisenregime der EU". Die Aktionen werden von Attac und einer Reihe linker Bündnisse unterstützt.

Auch Soziologe Andreas Langenohl von der Gießener Universität ist gespannt auf die Resonanz. In der Fachwelt würden - trotz aller Unterschiede - Parallelen zwischen der Occupy-Bewegung und dem Arabischen Frühling diskutiert. Denn beide reklamierten zentrale Plätze in den Städten für sich, erklärt er. "Und beide wollen einen Moment der Repräsentation der politischen Vertretung einführen, wo es das bisher nicht gegeben hat." Viele der Camps der im September 2011 in New York entstandenen bankenkritischen Bewegung sind inzwischen aufgelöst. In Deutschland gibt es neben dem Protest-Camp in Frankfurt noch einige weitere. In Düsseldorf campieren die Globalisierungskritiker zwischen der Einkaufsmeile Königsallee und der Börse. In Münster lagern sie mit ihrem Zelt am Rande der Altstadt, bauen aber bald für einen Tag ab - um dem jährlichen Fahrradmarkt Platz zu machen.

In dem kleinen Lager vor der HSH-Nordbank in Hamburg haben vor allem junge Protestler überwintert. "Zehn bis 15 von uns schlafen noch regelmäßig hier. Die anderen sind nur tagsüber hier", sagt Alessandro. Er ist seit November dabei und will bleiben, "bis sich das System ändert oder der Platz geräumt wird". Das zuständige Bezirksamt Hamburg-Mitte sieht dafür jedoch derzeit keinen Grund. "Das Camp ist sehr kooperativ", lobt ein Sprecher.

Ein Ende des Protests ist auch vor der EZB nicht in Sicht. "Jetzt nach dem Winter kommen viele wieder und auch neue dazu", sagt Uwe. Auf "50 plus X" beziffert er die Zahl der Bewohner. Wo also steht Occupy? "Es gibt einfach nicht das klare Ziel", sagt Soziologe Langenohl. "Wie soll man den Erfolg messen?" Der Protest werde sich daher vermutlich abschwächen. "Als Bewegung sind wir relativ diffus, aber das ist auch wichtig, wenn man den Anspruch hat, 99 Prozent zu vertreten", sagt Uwe. Und dennoch gebe es gemeinsame Ziele, so etwa: "Stoppt den Euro-Rettungsschirm!"

Umstritten ist auch, ob Occupy überhaupt eine soziale Bewegung ist. Die 68er-Bewegung beispielsweise habe ganz neue Wertestrukturen gefordert und diese Lebensweisen auch für sich selbst reklamiert, sagt der Soziologie-Professor. Occupy wolle zwar eine bestimmte Wirtschaftsordnung nicht, es sei aber unklar, welche Folgen dies für ihre Mitglieder habe.

Am Rande

David Hupperich zieht sich als Sprecher und Organisator der Occupy-Bewegung Saarbrücken zurück. Der 35-Jährige plant eine neue Bürgerinitiative. Das Bündnis solle stärker von der bürgerlichen Mitte getragen werden - angefangen von Arbeitnehmern und Rentnern über kleinere und mittlere Unternehmen bis hin zu Politikern. "Ich finde, das bürgerliche Lager ist in der Occupy-Bewegung zu wenig integriert", so Hupperich. hth

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