Wirtschaft als Waffe gegen Putins Kriegs-Kurs

Brüssel · Es ist eine neue Phase im Konflikt um die Ukraine zwischen Russland und dem Westen. Moskaus wichtigster Handelspartner, die EU, verhängt Wirtschaftssanktionen. Ungewiss ist, wozu sie führen werden.

Seit März hatte die Europäische Union gedroht, jetzt hat sie Ernst gemacht. Mit Wirtschaftssanktionen will die EU Russlands Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, die Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ukraine zu beenden. Die Europäer ziehen dabei die schärfste Waffe, die ihnen zur Verfügung steht: Sie schneiden Russland teilweise von den EU-Finanzmärkten ab. Es ist eine Waffe, die noch schärfer gemacht werden kann - falls Putin nicht reagiert.

Die EU ist der wichtigste Handelspartner Russlands. Auch deswegen war das neue Sanktionspaket so wichtig, dass die 28 Staats- und Regierungschefs zuvor schriftlich ihre EU-Botschafter zur Zustimmung ermächtigten. Die politische Botschaft an Moskau lautet: "Es reicht!" Nach dem Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 herrschte in der EU über Nacht Einigkeit, dass den Worten vom März nun Taten folgen müssten. Die weitere Hochrüstung und Militarisierung der Separatisten müsse gestoppt werden.

Die Signale der EU sind gemessen an bisherigen Dissonanzen erstaunlich eindeutig. Schon vor den Wirtschaftssanktionen hatte man sich zwischen den EU-Hauptstädten darauf geeinigt, jetzt demonstrativ auch vier enge Vertraute Putins mit Einreiseverboten und Kontensperrungen zu belegen. Die Sanktionen sollten "die Kosten der Krise für Russland erhöhen", die negativen Folgen für die EU begrenzen und "Platz für diplomatisches Handeln" sowie für ein weiteres Anziehen der Sanktionsschraube lassen.

So kam man zu einem Verbot künftiger Waffenexporte nach Russland - von dem vor allem Frankreich und mit einigem Abstand Deutschland betroffen sein dürften. Altverträge sind außen vor. Außerdem einigte man sich auf ein Verbot von zivil und militärisch gleichermaßen verwendbaren Gütern (Dual Use) an militärische Endkunden - beispielsweise Software für Verschlüsselungssysteme, spezielle Werkzeugmaschinen und Hochleistungscomputer.

Kernstück ist aber die Kappung des Zugangs von russischen Banken mit einer staatlichen Beteiligung von mehr als 50 Prozent zu den europäischen Finanzmärkten. Ein Handelsverbot für neue Anleihen und ein Kaufverbot für EU-Bürger soll die Fähigkeit der Banken verringern, die russische Wirtschaft zu finanzieren. Zugleich soll, so heißt es im internen Kommissionspapier, eine "Marktunsicherheit" geschaffen werden, die auch zu Kapitalabflüssen beitragen kann. Zumindest kurzfristig könne Russland den EU-Markt nicht kompensieren.

Dass dies Putin zu einem raschen Kurswechsel veranlassen wird, erwartet niemand in Brüssel . Allerdings hofft man, dass es zu mehr politischem Druck auf den Kremlchef führt, der wenig wirtschaftliche Erfolge aufzuweisen hat. Russland sei am ehesten angreifbar über seine Verflechtung mit internationalen Märkten, heißt es. Zudem verfügten die EU und die USA über jene internationalen Zahlungssysteme, die Moskau zwingend benötige, um eigenes Geld überhaupt grenzüberschreitend bewegen zu können. Auch sind die EU-Maßnahmen jederzeit ausweitbar. Sie könnten auf mehr Banken zielen, auf einzelne Unternehmen oder auf mehr Finanztransaktionen - ganz abhängig von der weiteren Entwicklung in der Ostukraine. So weit will in Brüssel aber wohl niemand gehen. Bereits gestern sagte ein EU-Diplomat: "Wir haben lange Zeit gehofft, drastische Sanktionen zu vermeiden. Jetzt ging es nicht mehr anders."

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