Immer mehr Bäder dicht Wird Deutschland wirklich zum Land der Nichtschwimmer?

Berlin · Der Bundestag diskutierte gestern über die Auswirkungen von Schwimmbad-Schließungen und die zunehmende Privatisierung von Bädern.

 Für viele eines der schönsten Freibäder des Saarlandes: Das Parkbad in Wadgassen gestern aus der Luft fotografiert.

Für viele eines der schönsten Freibäder des Saarlandes: Das Parkbad in Wadgassen gestern aus der Luft fotografiert.

Foto: BeckerBredel

 

Sommer, Sonne – und kein Schwimmbad in der Nähe. Immer mehr Kommunen haben aus Kostengründen ihre Bäder dicht gemacht, was nach Angaben der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) auch dazu geführt hat, dass deutlich weniger Kinder schwimmen können. Ein Phänomen, mit dem sich gestern der Bundestag beschäftigte. Der richtige Ort dafür?

Die Abgeordneten debattierten in einer Aktuellen Stunde auf Initiative der Linken über die vielen Badschließungen. Eine Themenwahl, die im Vorfeld für Spott insbesondere in Unionskreisen gesorgt hatte. Doch in Wahrheit geht es um eine gefährliche Entwicklung, wie dann alle Parlamentarier betonten. Deutschland ist laut DLRG auf dem Weg zum Nichtschwimmerland. Mehr als die Hälfte der Zehnjährigen kann sich demnach nicht mehr über Wasser halten, weil jedes Jahr rund 100 Bäder geschlossen oder aber vorhandene zu Spaßbädern ohne Lehrbecken umgebaut werden. Auch ein entsprechender Unterricht fällt viel zu oft aus.

Aus Sicht der Linken also Grund genug für das Hohe Haus, sozusagen den Freischwimmer zu machen. Erst befasste sich der Sportausschuss mit der Lage, am Nachmittag dann das Plenum. Linke-Fraktionsvize Jan Korte nannte in der Debatte weitere Zahlen: 537 Menschen seien 2016 ertrunken, darunter 91 Kinder und Jugendliche. 25 Prozent der Grundschüler hätten keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad. Und ob jemand schwimmen könne oder nicht, sei auch eine soziale Frage. So gebe es eine Erhebung aus Hamburg, wonach 80 Prozent der armen Kinder diese Fähigkeit fast gar nicht und 42 überhaupt nicht besäßen. Bei Sprösslingen aus reichen Familien sei es umgekehrt. „Das ist doch wohl ein Thema für den Bundestag“, rief Korte. Wer darüber lache, bekomme vom wirklichen Leben nichts mehr mit.

Eine Schwimmnation scheint Deutschland auch aus sportlicher Sicht nicht mehr zu sein. Das hat sich zuletzt bei den Olympischen Spielen in Rio gezeigt. Die Resultate der Athleten waren miserabel. 4,5 Milliarden Euro beträgt zudem nach Schätzungen von Experten der Sanierungsbedarf bei den Bädern hierzulande. Barbara Woltmann (CDU) betonte: „Das Thema ist natürlich wichtig. Aber ob es in den Bundestag gehört, wage ich zu bezweifeln.“ Denn zuständig seien die Kommunen und Bundesländer. „Auch die Eltern sind gefordert, den Kindern das Schwimmen beizubringen“, mahnte sie. Der Grüne Özcan Mutlu sprach indes von einem Dilemma. „Der Platz zum Schwimmen verschwindet, während die Eintrittspreise steigen.“ Die Steuer­überschüsse des Bundes müssten über die Kommunen auch in die Bäder gesteckt werden. Dagegen plädierte SPD-Frau Ute Vogt dafür, wieder einen „Goldenen Plan“ aufzulegen. In den 1960er Jahren gab es ein Programm aller staatlichen Ebenen mit diesem Namen, um den Sportstättenmangel zu beseitigen. Ob für die Bäder wieder goldene Zeiten anbrechen, wird sich erst nach der Bundestagswahl zeigen.

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