"Wir wollen die komplette Öffnung der Ehe"

Herr Beck, wie finden Sie es, dass die CDU auf ihrem Bundesparteitag über die Gleichstellung von Homo-Ehen beim Ehegattensplitting debattiert?Beck: Nach 23 Jahren hat das Thema nun auch die Union erreicht. Fast ein Vierteljahrhundert zu spät. Trotzdem meint die Parteiführung jetzt noch immer, damit Punkte machen zu können, dass sie Homosexuelle zu Bürgern zweiter Klasse erklärt

Herr Beck, wie finden Sie es, dass die CDU auf ihrem Bundesparteitag über die Gleichstellung von Homo-Ehen beim Ehegattensplitting debattiert?

Beck: Nach 23 Jahren hat das Thema nun auch die Union erreicht. Fast ein Vierteljahrhundert zu spät. Trotzdem meint die Parteiführung jetzt noch immer, damit Punkte machen zu können, dass sie Homosexuelle zu Bürgern zweiter Klasse erklärt. Und das obwohl das Bundesverfassungsgericht sehr eindeutig gesagt hat, dass die Gründe, die gegen eine Gleichstellung im Steuerrecht genannt werden, keine rechtlichen Bestand haben werden. Wenn die Union Angela Merkel folgt, läuft sie Gefahr, dass ihre Position von Karlsruhe kassiert wird.

Warum ist die steuerliche Gleichstellung von Ehen und Lebenspartnerschaften so wichtig?

Beck: Es geht um das verfassungsrechtliche Prinzip der Gleichbehandlung, das hier verletzt wird. Dagegen verstößt der Gesetzgeber sowohl beim Steuerrecht als auch beim Adoptionsrecht.

Wir dachten, die Grünen und auch die SPD wollten das Ehegattensplitting abschaffen.

Beck: Solange es das aber noch gibt, muss die Gleichstellung hergestellt werden. Perspektivisch wollen wir das Ehegattensplitting abschmelzen und das Geld in bessere Kinderbetreuung und bessere Leistungen für Familien mit Kindern investieren. Und zwar unabhängig davon, ob diese Familien Ehen, eingetragene Lebenspartnerschaften oder nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern sind.

Wo sehen Sie Korrekturbedarf?

Beck: Wir wollen grundsätzlich die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft war nur eine juristische Übergangstechnologie auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Damit wären dann alle noch offenen Fragen gelöst, von der Adoption bis zu Betriebsübernahmen im Todesfall des Lebenspartners. Es geht um über hundert Gesetze und Vorschriften, bei denen eingetragene Lebensgemeinschaften noch diskriminiert werden.

Können Sie denn akzeptieren, dass sich eine christlich-konservative Partei mit diesem Thema schwerer tut als etwa SPD und Grüne?

Beck: Dass die CDU vielleicht zwei Mal nachdenken muss, kann ich schon verstehen. Aber nicht, dass sie dafür über 20 Jahre braucht. Bei uns richtet sich die Gesetzgebung immer noch nach dem Grundgesetz und nicht nach dem katholischen Katechismus.

Auch die Protestantin Angela Merkel spricht sich gegen die volle Gleichstellung aus.

Beck: Frau Merkel biedert sich hier den reaktionären Strömungen der CDU an. Das ist eher taktisches Kalkül als echte Überzeugung. Konservative müssten das Bewahrenswerte im zu Bewahrenden identifizieren und aus dieser Grundhaltung die Zukunft gestalten. Das gelingt Merkel nicht.

Aber Angela Merkel hat bisher den konservativen Flügel doch eher verärgert, siehe Krippenausbau.

Beck: Sie modernisiert dort, wo sie meint, dass Reformen auch aus wirtschaftspolitischen Gründen notwendig sind, verweigert aber jedwede gesellschaftliche Modernisierung, wo sie das rückwärtsgewandte Klientel ihrer Partei verschrecken würde.

Wäre ein Nein des CDU-Parteitages zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften für Sie ein Punkt, der eine schwarz-grüne Koalition ausschließt?

Beck: Die Frage stellt sich nicht, weil es weder gesellschaftspolitisch, noch umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitisch gegenwärtig eine ausreichende Schnittmenge zwischen Union und Grünen gibt. Wir setzen klar auf eine Ablösung von Schwarz-Gelb durch eine rot-grüne Koalition mit starken Grünen.Foto: Zinken/dapd

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