"Wir werden verantwortungsbewusst bleiben"

Finden Sie den Wahlausgang vom 27. September inzwischen gerecht?Steinmeier: Dass ich ihn nicht als gerecht empfinden kann, wird jeder verstehen. Wir haben gekämpft, mit einem guten Programm und vielen Unterstützern. Aber wir haben das Votum des Wählers zu akzeptieren. Wir werden uns jetzt in der Opposition neu aufstellen

Finden Sie den Wahlausgang vom 27. September inzwischen gerecht?Steinmeier: Dass ich ihn nicht als gerecht empfinden kann, wird jeder verstehen. Wir haben gekämpft, mit einem guten Programm und vielen Unterstützern. Aber wir haben das Votum des Wählers zu akzeptieren. Wir werden uns jetzt in der Opposition neu aufstellen. Das hat mit dem Parteitag in Dresden begonnen und mit der Rede des neuen Vorsitzenden Sigmar Gabriel, die Mut gemacht hat. Sie persönlich sind in der Beliebtheit abgestürzt. Schmerzt Sie das?Steinmeier: Das ist die Folge des Rollenwechsels aus der Regierung in die Opposition. Damit verändert sich die mediale Wahrnehmung. Meine Rolle ist jetzt eine andere: Ich habe dafür zu sorgen, dass die SPD als Oppositionsfraktion vom ersten Tag an auf dem Platz ist. Und das ist bisher gut gelungen. In den Umfragen profitiert die SPD aber nicht, und das, obwohl die schwarz-gelbe Koalition einen Stolperstart hingelegt hat.Steinmeier: Warten Sie mal ab. Die Enttäuschung bei den Wählern von Union und FDP ist riesengroß. Sogar manchen Funktionären der beiden Parteien ist peinlich, was ihre Regierungspolitiker da abliefern. Für uns ist wichtig: Wir müssen unseren Kurs der Neuaufstellung der SPD konsequent fortsetzen, um wieder als Alternative wahr- und ernstgenommen zu werden. Wird das leichter, wenn die Regierung im nächsten Sommer Sparkonzepte vorlegen muss, die Sie zerpflücken können?Steinmeier: Wir werden es uns jedenfalls nicht leicht machen. Wir werden kritisieren, was zu kritisieren ist, aber als Opposition verantwortungsbewusst bleiben. Bei der Fraktionsklausur Anfang Januar werden wir den Startschuss für unser Gegenkonzept zum Arbeitsprogramm der Bundesregierung geben. Das Projekt trägt den Namen "Arbeit von Morgen" und ist das Gegenmodell zu dem Irrglauben, dass durch ungezielte Steuersenkungen, die mit Schulden finanziert werden, Wachstum entstehen kann.Und vom Sparen reden Sie lieber nicht?Steinmeier: Schon im Deutschlandplan haben wir ehrlich gesagt, wie wir das finanzieren wollen. Durch die Börsenumsatzsteuer und einen Bildungssoli. Wir haben diese Vorschläge gemacht, um wieder Handlungsspielräume für gestaltende Politik zu gewinnen. Die schwarz-gelbe Regierung macht genau das Gegenteil. Sie schafft da Armut und Handlungsunfähigkeit, wo am meisten investiert werden soll: bei Städten und Gemeinden. Wird die SPD versuchen, dagegen ein außerparlamentarisches Bündnis zu schmieden?Steinmeier: Das muss sie gar nicht, denn die Betroffenen sind schon mobilisiert. Allen voran die Städte und Gemeinden. Dort spürt man sehr viel direkter, was die Einnahmeausfälle aus dem so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz bedeuten, und was die weiteren geplanten Steuersenkungen noch bedeuten werden. Dort herrscht das blanke Entsetzen.Ihre Partei hat sich früh gegen eine Truppenaufstockung in Afghanistan festgelegt. Ist das der Einstieg in den Ausstieg aus dem Einsatz?Steinmeier: Wer das behauptet, kennt die SPD nicht. Wir wissen, was unsere Soldaten leisten und wir stehen zur internationalen Verantwortung Deutschlands. Deshalb gibt es keinen Kurswechsel. Aber der Kurs bleibt, dass unser Engagement kein Selbstzweck und der Aufenthalt unserer Soldaten kein Daueraufenthalt sein soll. Noch mehr müssen wir uns auf ziviles Engagement, aber auch auf die Ausbildung und Ausstattung afghanischer Sicherheitskräfte konzentrieren. Wir müssen sie in die Lage versetzen, nach und nach Eigenverantwortung in den Distrikten zu übernehmen, in denen wir nicht mehr gefordert sind. Mehr Engagement in der Ausbildung, aber nicht mehr Kampftruppen - das sollte unsere Linie sein. Aus der SPD ist Verteidigungsminister zu Guttenberg zum Rücktritt aufgefordert worden. Teilen Sie diese Forderung?Steinmeier: Für jeden Minister, der gegenüber Parlament und Öffentlichkeit nicht die Wahrheit sagt, wird es eng. Deshalb wird es im Untersuchungsausschuss zentral darauf ankommen, ob der Verteidigungsminister die Wahrheit gesagt hat, als er die Entlassung seines Staatssekretärs und des Generalinspekteurs mit vorenthaltenen Informationen begründete. Wir haben daran Zweifel, weil ihm schon zu Amtsantritt Informationen vorgelegen haben, die eine kritische Würdigung des Einsatzes am Kundus-Fluss notwendig gemacht hätten. Stattdessen hat zu Guttenberg die Bombenabwürfe als militärisch angemessen bezeichnet, und später, als er das korrigieren musste, die beiden Entlassenen für diese Fehleinschätzung verantwortlich gemacht. Nach Medienberichten haben Sie als Außenminister selbst auch schon frühzeitig gewusst, dass es zivile Opfer gab.Steinmeier: Am Tag nach dem Bombardement war die Informationslage ausgesprochen unübersichtlich und widersprüchlich. Das Auswärtige Amt hatte keine exklusiven Kenntnisse. Ich habe am 8. September im Bundestag gesagt, dass es wohl zivile Opfer gegeben hat. Und im Unterschied zu anderen war mir klar, dass dieser Einsatz und seine Folgen ein neues Schlaglicht auf unser Afghanistan-Engagement werfen würden.

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