„Wir sollten den Soli schrittweise abbauen“

Der Bund der Steuerzahler macht sich schon lange für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags stark. Allerdings nicht so, wie jetzt von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplant. SZ-Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Präsidenten des Verbands, Reiner Holznagel.

Herr Holznagel, haben Sie dem Finanzminister schon Blumen geschickt?

Holznagel: Nein, dazu besteht kein Anlass. Wir freuen uns insofern, als nun auch die Politik erkannt hat, dass der Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form nicht mehr haltbar ist. Denn rein technisch ist der "Soli" eine Ergänzungsabgabe, die die Bundesregierung nur bei bestimmten Bedarfsspitzen erheben darf.

Was heißt das?

Holznagel: Im Jahr 2005, als der Solidarpakt II in Kraft trat, welcher auch durch den "Soli" finanziert wird, hatten wir in Deutschland Steuereinnahmen von 450 Milliarden Euro. Heute sind es schon 640 Milliarden, 2018 etwa 740 Milliarden. Da kann doch von Bedarfsspitzen keine Rede mehr sein. In Wahrheit ist es so, dass, wenn die Einnahmen steigen, auch die Ausgaben immer mehr zulegen. Und am Ende wird geklagt, dass die Einnahmen dafür nicht reichen. Deshalb soll der "Soli" wohl auch in die Einkommensteuer eingearbeitet werden. Das lehnen wir kategorisch ab.

Immerhin plant der Finanzminister damit eine aufkommensneutrale Lösung, oder befürchten Sie Steuererhöhungen?

Holznagel: Eindeutig ja. Für Geringverdiener mit monatlichen Bruttoeinkommen bis zu 1445 Euro wird nach geltender Rechtslage kein Solidaritätszuschlag fällig. Wenn der "Soli" nun aber in die Einkommen- und Körperschaftsteuer integriert wird, dann kommt auf diese Geringverdiener schlicht eine Steuererhöhung zu. Gerade erst wurde der Mindestlohn eingeführt, aber auf der anderen Seite wird er wegbesteuert. Das ist doch absurd. Aber es gibt auch noch eine andere Gefahr.

Und die wäre?

Holznagel: Viele Menschen wissen nicht, wie unser Steuersystem genau funktioniert. Der Solidaritätszuschlag beträgt derzeit 5,5 Prozent und wird auf die Steuerschuld vom Einkommen erhoben. Also nicht etwa auf das Einkommen selbst, wie viele glauben. Wenn der "Soli" in die Steuertabellen aufkommensneutral eingearbeitet werden soll, dann würden sich die Einkommensteuersätze gegebenenfalls um mehr als zwei Prozentpunkte erhöhen. Wir befürchten allerdings, dass es nicht dabei bleiben wird, weil viele ja die 5,5 Prozent im Kopf haben. Vor diesem Hintergrund kann man nur warnen, so eine Diskussion überhaupt zu führen.

Der "Soli" bringt dem Staat gut 14 Milliarden Euro ein. Ein abruptes Ende würde eine Lücke reißen . . .

Holznagel: Wir fordern ja auch nicht, den "Soli" mit einem Schlag abzuschaffen. Aber man könnte den 25. Jahrestag des Mauerfalls zum Anlass für einen klaren Ausstiegsfahrplan nehmen. 2019 läuft der Solidarpakt mit zusätzlichen Hilfen für die neuen Länder aus. Bis dahin kann man den "Soli" schrittweise abbauen. Dann hätten die Finanzpolitiker Planungssicherheit, und die Steuereinnahmen würden nicht sofort wegbrechen. Auf diese Weise entstünde auch Druck, die Haushalte zu konsolidieren, indem man die Ausgaben drosselt.

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