"Wir müssen auf Dauer mit dieser Gefahr leben"

Wie ordnen Sie den Doppel-Anschlag von Oslo ein?Thamm: Am ehesten erinnert mich das Geschehen an den sogenannten Oklahoma-Bomber Timothy McVeigh, der 1995 in Oklahoma-City ein Regierungsgebäude in die Luft gejagt und dabei 168 Menschen getötet hat. McVeigh war Golfkriegs-Veteran und besessen von kruden rechten und christlich-fundamentalistischen Ideen

Wie ordnen Sie den Doppel-Anschlag von Oslo ein?Thamm: Am ehesten erinnert mich das Geschehen an den sogenannten Oklahoma-Bomber Timothy McVeigh, der 1995 in Oklahoma-City ein Regierungsgebäude in die Luft gejagt und dabei 168 Menschen getötet hat. McVeigh war Golfkriegs-Veteran und besessen von kruden rechten und christlich-fundamentalistischen Ideen. Das ähnelt alles sehr dem norwegischen Täter.

"Lonely wolves", einsame Wölfe, nennen die Sicherheitsexperten solche Täter. Sind sie ein neues Phänomen?

Thamm: Nein, das gibt es schon länger. Die Amerikaner bezeichnen Täter wie McVeigh auch als "amateur terrorists". Das besagt nicht, dass die Taten amateurhaft sind, sondern dass der Täter keiner Gruppe angehört. Er ist bindungslos, hat kein Netz, agiert völlig unberechenbar. Hier gibt es dann eine Parallele zu einer Spielart des islamistischen Terrorismus. Der erste geglückte islamistische Anschlag in Deutschland, der Mord an zwei amerikanischen Soldaten Anfang März in Frankfurt, wurde ebenfalls von einem solchen Einzeltäter verübt. Die Sicherheitsbehörden haben die wenigsten dieser potenziellen Einzeltäter auf ihren Radarschirmen.

Gibt es irgendeinen Punkt, wo man auf solche Täter aufmerksam werden könnte?

Thamm: Theoretisch ja. Die Täter wollen sich und ihre Gesinnung in der Regel mitteilen, meist im Internet. Nur: Ähnliche Ideologien oder Hasstiraden sondern dort auch tausende andere ab, ohne dass sie deswegen gleich zur Tat schreiten.

Die Beschaffung von Sprengstoff und Waffen wäre ein weiterer Ansatzpunkt für die Polizeien.

Thamm: Hier sind die Sicherheitsbehörden seit dem 11. September 2001 schon sehr sensibilisiert und die Kontrollen verschärft. Aber die Zugänge zu gewerblichen Sprengstoffen und vor allem zu Vorläufersubstanzen für selbst hergestellte Explosivstoffe wie Kunstdünger lassen sich kaum weiter einengen. Diese Stoffe hat ja auch der norwegische Täter benutzt. Bei Schusswaffen gibt es einen riesigen illegalen Markt. Wer will, kann sich eine Waffe besorgen.

Die Bedrohung durch den islamistischen Terror hält an, und nun kommt noch das Gefühl dazu, dass jederzeit ein heimischer Verrückter genauso massiv zuschlagen kann. Steigert sich das Unsicherheitsgefühl jetzt noch weiter?

Thamm: Es gibt seit dem 11. September 2001 eine stetige Erweiterung der Bandbreite möglicher terroristischer Täter. Dazu gehören organisierte islamistische Gruppen, die von außen Anschläge planen, ebenso wie so genannte "homegrown terrorists", also Terroristen, die bei uns aufwachsen und Hass gegen die eigene Gesellschaft entwickeln. Darunter auch Menschen ohne Migrationshintergrund, die konvertieren und sich radikalisieren. Und dann gibt es die Einzeltäter, die ganz unterschiedliche Motive haben. Seit den Anschlägen von New York begleitet uns das Phänomen des so genannten Trittbrett-Terrorismus. Zudem kann im linken wie im rechten Extremismus-Spektrum die vorhandene Gewaltbereitschaft zu terroristischen Aktionen führen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir auf Dauer mit dieser Gefahr leben müssen.

Also müssen auch die Sicherheitsgesetze auf Dauer bleiben?

Thamm: Ja, eindeutig. Es gibt immer Zeiten relativer Ruhe, und dann wird eifrig diskutiert, ob all die Sicherheitsmaßnahmen eigentlich noch notwendig sind. Ich kann dazu nur sagen: Die Gegenseite hat alle Zeit der Welt. Besonders der religiös motivierte Terrorismus erstreckt sich manchmal über viele Dekaden und Generationen. Mit anderen Worten: Der nächste Anschlag wird schon vorbereitet.

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