„Wir hatten Angst vor einem Weltkrieg“

Die Ermordung Kennedys sorgte in der Welt für Entsetzen. Aus deutscher Sicht war der Tod des jungen charismatischen Lenkers im Weißen Haus eine Katastrophe, stellte er doch ein Bollwerk gegen die dunklen Mächte der Sowjetunion dar. Prominente Saarländer wie Oskar Lafontaine und Wendelin von Boch erinnern sich an jenen unheilvollen 22. November 1963.

Oskar Lafontaine (70). Für den Linke-Politiker und ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten war Kennedy ein Hoffnungsträger: "Ich war als Student in Bonn in einer Straßenbahn, als die Meldung kam. Ich wollte es zunächst nicht glauben und war schockiert. John F. Kennedy verkörperte für viele von uns damals die Hoffnung auf eine bessere Welt. Erst später im Zuge der Studenten-Unruhen wurde auch die Politik Kennedys von meiner Generation kritischer gesehen."

Reiner Calmund (64). Der Wahl-Saarländer und ehemalige Fußball-Manager verbindet mit dem Attentat viel Persönliches: "John F. Kennedy wurde am Abend vor meinem 15. Geburtstag ermordet. Wir spielten damals mit meinem Heimatverein Frechen 20 das große Junioren-Derby beim 1. FC Köln - ich konnte dieses Spiel ebenso wenig genießen wie meine Geburtstagsparty. Meine Gedanken waren bei diesem großen Mann und seinem bitteren Schicksal. Er war und ist eines meiner großen Idole. Und als sich Kennedy in Köln mit einem ,Kölle Alaaf!' von der Stadt und ihren Menschen verabschiedete, war er für mich der beliebteste US-Präsident der Geschichte." Besonders beeindruckt ist Calmund von Kennedys Handeln in der Kuba-Krise: "Dass Chruschtschow nach massiven Drohungen die Mittelstrecken-Raketen auf Kuba abbauen ließ und damit der Dritte Weltkrieg verhindert wurde, war eines der wichtigsten Ereignisse im letzten Jahrtausend." Beim Nachkriegskind Calmund, dessen Familie gerade zum Ende des Zweiten Weltkriegs viele Schicksale hatte hinnehmen müssen, saß die Angst vor einem Krieg seinerzeit sehr tief.

Wendelin von Boch (71). Für den Aufsichtsratsvorsitzenden und ehemaligen Vorsitzenden von Villeroy & Boch war Kennedy ein Vorbild: "Ich war im Studium an der Universität in St. Gallen. Die Nachricht erreichte mich abends. Kennedy war für uns Studenten ein Idol. Er stand für eine neue Zeit, für Umbruch und nicht zuletzt für eine Verjüngung in der Politik. Das Attentat auf ihn war ein Schock."

Richard Weber (69). Der Senior-Chef der Karlsberg-Brauerei erlebte die Nachricht vom Tod Kennedys so: "Ich war bei meiner Familie im Wohnzimmer, wir schauten das erste Programm im Fernsehen. Ich war sehr bestürzt und konnte es nicht richtig fassen. Wir alle hatten Angst vor einem Weltkrieg. An diesem Abend diskutierten wir lange über die verlorene Zukunft."

Reinhard Klimmt (71). Der ehemalige Ministerpräsident erinnert sich an ein Gefühl: "Vom Attentat habe ich durch ein Extrablatt der Saarbrücker Zeitung erfahren, das im Schaukasten der Camera in der Ludwigstraße ausgehängt war. An den Film kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an das Erschrecken in unserer kleinen Gruppe. Kennedy stand - mehr durch seinen Habitus als durch seine Politik - für eine neue Epoche. Die Idee des ,Friedenscorps' fand unsere Zustimmung, ja Begeisterung."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort