„Wir haben erstmals eine Chance“
Saarbrücken · 500 Millionen Euro mehr pro Jahr erhält das Saarland durch den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich. Die Zukunft des Landes sei damit gesichert, sind CDU und SPD überzeugt. Die Opposition im Landtag hat da so ihre Zweifel.
Ist mit dem gefundenen Kompromiss in den Bund-Länder-Finanzverhandlungen, der dem Saarland ab 2020 jährlich rund 500 Millionen einbringt, die Eigenständigkeit des Landes gesichert oder nicht? Darüber waren sich die Regierungsfraktionen und die Opposition im Landtag gestern alles andere als einig.
Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) bezeichnete die Einigung in ihrer Regierungserklärung als "entscheidenden Schritt" auf dem Weg zur Sicherung der Eigenständigkeit: "Wir haben erstmals eine wirkliche Chance, unsere Zukunft zu gestalten." Auch ihre Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD ) sprach von einer "echten Perspektive für die Menschen im Land". Mit der Einigung sei man im Saarland jetzt wieder in der Lage, selbst den Kurs für das Land festzulegen.
Aus Sicht der Ministerpräsidentin ermöglicht die Einigung dem Saarland vor allem drei Dinge: 1. Die Chance, ab 2020 keine neuen Schulden aufnehmen zu müssen. 2. Den schrittweisen Abbau des Altschuldenbergs von 14 Milliarden Euro. 3. Mehr Investitionen. Sie versprach, auch die Kommunen würden von dem Geld ihren Teil abbekommen. Doch bis die Neuregelung 2020 greift, kommt auf die Saarländer noch einiges zu. "Schwierige Jahre liegen noch vor uns", sagte die Regierungschefin. 2018 und 2019 müsse das Land noch einmal rund 250 Millionen Euro einsparen, um die Schuldenbremse einhalten zu können.
Die Opposition würdigte zwar die Einigung, um die Bund und Länder lange zäh gerungen hatten - es sei "ein Anlass zur Freude", sagte Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine , aber eben nur ein Etappenziel. Eine nachhaltige Lösung für die finanziellen Probleme des Landes sehen Linke, Grüne und Piraten darin nicht. Grünen-Fraktionsvize Klaus Kessler warf der Landesregierung vor, dass sie von ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Altschuldentilgungsfonds abgerückt war. "Wir können die 14 Milliarden Euro nicht im Entferntesten tilgen", sagte Kessler. Hinzu kämen die steigenden Zins- und Versorgungsausgaben, die das Land allein in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro kosteten. "Wie lösen Sie das Problem?", fragte Kessler.
Dass die Regierung an der Schuldenbremse festhalten will, bezeichnete Lafontaine als großen Fehler: "Im Wettbewerb der Länder können wir nur mithalten, wenn wir investieren." Bei den Investitionen liege das Saarland im bundesweiten Vergleich aber weit zurück. Sparen allein reiche nicht, sagte Lafontaine, es müsse auch etwas getan werden, um mehr Einnahmen zu erzielen. Mit ihrem Antrag, sich im Bundesrat für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer einzusetzen, scheiterte die Linke an der Stimmenmehrheit von CDU und SPD . Es ist ein Anliegen, das die Linken seit Jahren verfolgen und das CDU-Fraktionschef Tobias Hans als "olle, klein gelutschte Kamelle" bezeichnete.
Auch die Zugeständnisse, die die Länder dem Bund im Zuge der Verhandlungen machen mussten, sehen Linke und Piraten kritisch. Die Länder mussten einige Kompetenzen abtreten, etwa bei den Bundesfernstraßen. So plant der Bund eine Infrastrukturgesellschaft, die künftig für die Autobahnen zuständig sein wird. Kritiker fürchten eine Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür. Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer versicherte: "Das wird es nicht geben."
Daneben soll auch der Stabilitätsrat, der den Schuldenabbau überwacht, mehr Kompetenzen erhalten und der Bundesrechnungshof bei der Mitfinanzierung von Länderaufgaben genauer prüfen können. Auch bei der Steuerverwaltung soll der Bund mehr Mitspracherecht erhalten. Lafontaine kritisierte, dies sei ein "Rückzug des Föderalismus". Kramp-Karrenbauer widersprach: "Starke, selbstbewusste Länder brauchen keine Zusammenarbeit zu scheuen, wo sie Sinn macht."