Wieder unter Druck

Berlin. Wie Christian Wulff die Osterfeiertage verbringt, ist reine Privatsache. Er schweigt. Seine Anwälte auch. Und dennoch: Momentan ist der Druck mal wieder groß, der auf dem ehemaligen Bundespräsidenten lastet. Bis zum 8. April muss sich Wulff entscheiden, ob er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft Hannover eingeht

 Christian Wulffs politisches wie privates Leben ist über der Affäre zerbrochen. Foto: Kumm/dpa

Christian Wulffs politisches wie privates Leben ist über der Affäre zerbrochen. Foto: Kumm/dpa

Berlin. Wie Christian Wulff die Osterfeiertage verbringt, ist reine Privatsache. Er schweigt. Seine Anwälte auch. Und dennoch: Momentan ist der Druck mal wieder groß, der auf dem ehemaligen Bundespräsidenten lastet. Bis zum 8. April muss sich Wulff entscheiden, ob er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft Hannover eingeht. Ob er bereit ist, 20 000 Euro auf den Tisch zu legen, damit die Anklagebehörde das Verfahren wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit gegen ihn einstellt. Wird Wulff darauf eingehen oder nicht?

Rückblick: Es begann mit den Berichten über den Kauf von Wulffs Wohnhaus in Großburgwedel und den dafür verwendeten Kredit seines Freundes Egon Geerkens beziehungsweise dessen Frau. Ende 2011 war das der Ausgangspunkt für weitere Vorwürfe über angebliche Vorteilsnahme im Amt, konkret: Das Ehepaar Wulff habe sich Hotelaufenthalte vom befreundeten Filmproduzenten David Groenewold bezahlen lassen. Dann folgten Berichte über Wulffs Förderung des niedersächsischen "Nord-Süd-Dialogs", mit dem ein Partyveranstalter viel Geld verdient hatte.

Gegen Wulffs engsten Mitarbeiter, seinen langjährigen Sprecher Olaf Glaeseker, ist deswegen inzwischen Anklage erhoben worden. Strafrechtlich ist dies für Wulff jedoch ohne Belang. Die Staatsanwaltschaft hat diesbezüglich die bestehenden Verdachtsmomente nicht erhärten können. Aber einen Tag nach der Eröffnung des Verfahrens war Wulff zurückgetreten. Am 17. Februar 2011. Mit dem Rücktritt wurde der politische und wohl auch private Absturz des Niedersachsen endgültig besiegelt.

Mehr als 13 Monate sind inzwischen für die juristische Aufarbeitung ins Land gegangen. Tausende von Beweismitteln wurden erhoben und gesichtet, Dutzende Zeugen befragt, 24 Ermittler und vier Staatsanwälte befassen sich mit dem Fall. Am Ende scheint nur ein Vorwurf gegen das ehemalige Staatsoberhaupt übrig geblieben zu sein: Dem 53-Jährigen wird zur Last gelegt, er habe sich von Groenewold 2008 nach München zum Oktoberfest einladen lassen. Zumindest einen Teil der Kosten für Hotel und Bewirtung habe der Filmproduzent übernommen. Es geht um einen Betrag zwischen 400 und 770 Euro. Wulff habe im Gegenzug beim Konzern Siemens für die Unterstützung eines Groenewold-Films die Werbetrommel gerührt. Ließ sich Wulff, der Mann mit dem Ministerpräsidenten-Gehalt, also mit ein paar Hundert Euro schmieren? Hätte er ohne die Oktoberfestsause nicht bei Siemens angerufen? Für viele Beobachter ist das schwer vorstellbar. Schon ist in Berlin von einer "Riesenblamage der Staatsanwaltschaft" die Rede.

Die Ermittler haben offenbar deshalb in der vergangenen Woche die Flucht nach vorn angetreten: Aus einem Brief an die Anwälte der Beschuldigten geht dem Vernehmen nach hervor, dass sie Wulff und Groenewold der Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung zwar für hinreichend verdächtig halten. Doch könne das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch die "Übernahme strafrechtlicher Verantwortung" in Form der Zahlung von 20 000 Euro (Wulff) und 30 000 Euro (Groenewold) beseitigt werden. Wäre das aber nicht ein Schuldeingeständnis? So will es die Staatsanwaltschaft nicht verstanden wissen, doch die Öffentlichkeit dürfte dies so sehen.

 Christian Wulff und sein Freund David Groenewold 2005 beim Filmpreis-Dinner in Berlin. Foto: dpa

Christian Wulff und sein Freund David Groenewold 2005 beim Filmpreis-Dinner in Berlin. Foto: dpa

 Christian Wulffs politisches wie privates Leben ist über der Affäre zerbrochen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Christian Wulffs politisches wie privates Leben ist über der Affäre zerbrochen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

 Christian Wulff und sein Freund David Groenewold 2005 beim Filmpreis-Dinner in Berlin. Foto: dpa

Christian Wulff und sein Freund David Groenewold 2005 beim Filmpreis-Dinner in Berlin. Foto: dpa

Geht Wulff auf den Deal nicht ein, kommt es zum Prozess, falls das Gericht die Klage zur Verhandlung zulässt. Wulff könnte freigesprochen werden - oder verurteilt. Ob er die mediale Aufmerksamkeit noch will, ob er nach dem Rücktritt, dem Scheitern seiner Ehe, den monatelangen Ermittlungen die Kraft für ein Verfahren aufbringt, weiß man noch nicht. Einer rät ihm dazu: FDP-Präsidiumsmitglied Wolfgang Kubicki. Die Staatsanwaltschaft habe "erhebliche Ermittlungen veranlasst, die dem Anlass des Verfahrens überhaupt nicht gerecht geworden sind", kritisiert der Jurist. Wulff solle das Angebot ausschlagen. Fest steht: Der Fall hat inzwischen viele tragische Seiten. Wulffs politisches und privates Leben ist über die Affäre zerbrochen. Die Medien haben ihn gejagt. Ob zu Recht oder zu Unrecht. Er dürfte froh sein, wenn es endlich einen Abschluss gibt. Welchen auch immer.

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