Weichenstellung Wie SPD und CDU die AfD ausbremsen wollen

Schwante/Berlin · Die Alternative für Deutschland könnte zum Gewinner bei den bevorstehenden Landtagswahlen im Osten werden. Die anderen Parteien steuern mit Ost-Offensiven dagegen.

 I n den östlichen Ländern gewinnt die AfD immer mehr an Boden – wie hier im sächsischen Chemnitz, wo unter anderem Anfang September AfD-Anhänger und das Pegida-Bündnis mit Deutschlandfahnen demonstrierten. In Brandenburg sehen Umfragen die SPD gleichauf mit der AfD bei 20 Prozent.

I n den östlichen Ländern gewinnt die AfD immer mehr an Boden – wie hier im sächsischen Chemnitz, wo unter anderem Anfang September AfD-Anhänger und das Pegida-Bündnis mit Deutschlandfahnen demonstrierten. In Brandenburg sehen Umfragen die SPD gleichauf mit der AfD bei 20 Prozent.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Den Ort hat die SPD Ost bewusst gewählt. Als Signal des Aufbruchs. Manuela Schwesig war 15, Franziska Giffey gerade elf Jahre alt – die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und die Bundesfamilienministerin sind heute die prägenden Gesichter der ostdeutschen SPD. 43 Männer und Frauen gründeten am 7. Oktober 1989 in Schwante bei Berlin die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP), während Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR feierte.

Damals gab es viel Euphorie – heute geht es fast um die Existenz. Fast 30 Jahre später ist die Ost-SPD am Wochenende für eine Klausur wieder hier, um die Weichen für ein schwieriges Wahljahr zu stellen. Im 30. Jahr des Mauerfalls will man mehr Augenmerk für den Osten.

CDU und SPD regieren zwar in der großen Koalition – aber beide wollen heute nun parallel in ihren Spitzengremien neue „Ost-Offensiven“ beschließen. Das hat sicher auch mit dem Erstarken der AfD zu tun.

Die Konzepte ähneln sich in vielem – Verbesserung bei den Renten, mehr Bundesbehörden im Osten, Forschungseinrichtungen, bessere Nah- und Bahnverkehrsangebote gerade für strukturschwache Gegenden, ebenso mehr Arzt- und Pflegeangebote, dazu das Versprechen, den neuen Mobilfunkstandard 5G gerade in Ostdeutschland voranzutreiben.

„Wir haben immer noch die Situation, dass die Ostdeutschen länger arbeiten und weniger Geld bekommen, dass sich die Lebensleistung der Ostdeutschen in der Rente nicht ausreichend niederschlägt“, sagt Schwesig in Schwante. „Wir kriegen es kaum einem erklärt, warum diese Rentenangleichung erst 2025 kommt, 35 Jahre nach der deutschen Einheit“, sagt sie. Auch die CDU will die Lebensleistung der Menschen besser honorieren. „Es ist auch nötig, dass der Osten im gleichen Maße repräsentiert ist in Entscheidungsgremien, in Behörden, in der Wirtschaft wie der Westen“, sagt SPD-Familienministerin Giffey.

„Zu häufig herrscht in der Bundespolitik und auch in der SPD ein Westblick“, zeigt man sich in dem Schwante-Papier kritisch. Es bildet die Basis für das weitere Vorgehen der SPD-Spitze. Bis heute sind die Sozialdemokraten zwar stolz, dass sie damals einen anderen Weg als die CDU gegangen sind, die sich in der DDR als Blockpartei gleichschalten ließ. Allerdings konnte die Ost-CDU nach der Wende so schneller gute Strukturen schaffen. Die neu gegründete SDP wollte auch keine SED-Mitglieder aufnehmen – aus heutiger Sicht für viele ein Fehler, so wurde die Chance verpasst, gemäßigte SED-Leute zu gewinnen. Die Mitglieder werden heute immer älter und weniger.

Im September und Oktober bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen drohen der SPD herbe Klatschen. In Sachsen und Thüringen waren es schon 2014 nur jeweils 12,4 Prozent, in Brandenburg 31,9 Prozent – dort muss Ministerpräsident Dietmar Woidke um sein Amt bangen, Umfragen sehen die SPD gleichauf mit der AfD bei 20 Prozent. Eine schwierige Lage könnte auch in Sachsen entstehen, wo die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer ein Überrunden durch die AfD fürchten muss.

Zwar flossen über den Solidarpakt II fast 160 Milliarden Euro in die ostdeutschen Länder, aber knapp 30 Jahre nach dem Mauerfall verfallen vielerorts Städte, Busse fahren nicht mehr, Arztpraxen sind zu, junge Leute gehen; das Internet ist langsam. „Hoffnungen, die Angleichung werde schnell gehen, sind in einigen Bereichen zerstoben“, zog Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach 13 Jahren als Regierungschefin in der „Zeit“ ein ernüchterndes Fazit. Daher finde sie es „nicht so verwunderlich, dass es in Ostdeutschland Frustrationen gibt“.

Es wirkt wie eine Selbstkritik. Auch für die SPD geht es um eine Operation Ostdeutschland. Sie setzt auf einen „Vorsprung Ost“ und will auch mehr Ausbildungsstätten für Bundespolizei oder Zoll dorthin holen. „Ein ganz großes Thema für ostdeutsche Bürger ist es, dass sie endlich in der deutschen Einheit ankommen“, sagt Schwesig.

In Ostdeutschland entscheidet sich vielleicht auch die Zukunft der Partei – und ob die rechte AfD zur neuen Volkspartei wird. Sie will mit Vor-Ort-Angeboten zur neuen Kümmerer-Partei werden, bei der sich Bürger mit ihren Sorgen und ihrem Frust ernst genommen fühlen.

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