Wie sich Saarbrücken 1913 in einen Kriegsrausch feierte

Saarbrücken · Mit „Jahrhundertfeiern“ wurde 1913 im Deutschen Reich an die Völkerschlacht erinnert. In Saarbrücken wurden über hunderttausend Besucher gezählt.

Es war ein Fest, wie es Saarbrücken noch nie gesehen hatte. Fackelzüge, Freudenfeuer, Festgottesdienste in allen Kirchen, dazu viel Musik ("Deutschland, Deutschland über alles"): Am 18. und 19. Oktober 1913 stand Saarbrücken, damals im Zuge eines Wettrüstens in Europa eine wichtige preußischen Militärmetropole, ganz im Zeichen der "Jahrhundertfeier der Völkerschlacht". Es galt, schrieb die SZ, an eine Schlacht zu erinnern, "die deutschen Landen ihre Freiheit wiedergab". Über hunderttausend Besucher wurden gezählt, "Schwarz von Menschen" seien die Straßen gewesen, stand in der SZ. Sie hatte die Feier im Vorfeld intensiv unterstützt und danach bejubelt: Zu den "schönsten und imposantesten Feiern" im Reich habe das Fest gehört. Der Glanz der Feier "sei unserem König und Kaiser ein Zeichen, dass Saarbrücken sich wohl fühlt unter Preußens und des Reiches Aar, dessen Wacht ihm Größe und Gedeihen, Wohlfahrt und Wohlstand, Sicherheit und Ruhe gebracht hat".

Für den Historiker Rolf Wittenbrock, unter anderem Herausgeber der "Geschichte der Stadt Saarbrücken", stand die Feier 1913 ganz im Zeichen eines nahenden Krieges. In seinem Aufsatz "Dass der alte preußische Geist noch in uns lebt" schildert er, wie die "Jahrhundertfeiern" einer "mentalen Mobilmachung angesichts wachsender Kriegsgefahr dienten". Wittenbrock spricht mit Blick auf das Geschehen in Saarbrücken von einer "gelungenen Inszenierung, die den Mythos einer harmonischen, unter dem Banner von Preußen und Deutschland geeinten Volksgemeinschaft zelebrierte".

Dabei sei suggeriert worden, dass die Saarbrücker schon 1813 auf der Seite der siegreichen Preußen gestanden hätten: "Es wurde eine heroische Eigengeschichte der Saarstädte konstruiert, die sich nahtlos einfügen konnte in die dominierende Gemütslage des Jahres 1913, die beseelt war von der nationalen Mission Preußens und dem Streben, Deutschland zu einer Weltmacht zu machen." Die Schaffung einer emotionalen Bindung habe die Verpflichtung verstärkt, Kaiser und Reich "treu und opferbereit" zu dienen. Die Organisatoren der Feier, schlussfolgert Wittenbrock, hätten wie viele andere den Weg geebnet, "auf dem sich dann wenig später sehr viele junge Männer voller Begeisterung in diesen Krieg stürzten, der schließlich über 17 Millionen Menschen nicht nur in Europa das Leben kostete".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort