Wie sich das Land zur schwarzen Null spart

Beim Sparen geht es inzwischen Schlag auf Schlag. Kaum sind die Pläne für den Stellenabbau im öffentlichen Dienst unter Dach und Fach, wagt sich die große Koalition an die nächsten Baustellen.

Bei einer Klausurtagung im Hotel Am Triller in Saarbrücken will die Landesregierung heute vereinbaren, wo im Haushalt 2014 überall gespart wird.

Gegen den beschlossenen Abbau von 2400 Stellen im öffentlichen Dienst bis zum Jahr 2020 regt sich bereits heftiger Widerstand. Die Opposition läuft Sturm gegen die Streichung von 588 Lehrerstellen. Und Uni-Präsident Volker Linneweber sagt, man müsse jetzt offen über die Schließung ganzer Fakultäten reden. Dabei entsprechen die Kürzungen beim Personal nicht einmal einem Viertel der vorgesehenen jährlichen Einsparsumme.

CDU und SPD werden deshalb langsam sagen müssen, wo der Rotstift noch überall angesetzt wird. Am Staatstheater, an der (bisher vom Sparen ausgenommenen) Homburger Uniklinik, bei den Beamtenpensionen? Zu seinem Abschied aus dem Amt kritisierte Rechnungshof-Präsident Manfred Plaetrich im März, die richtig harten Sparmaßnahmen seien nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Sparvorschläge gebe es genügend, jetzt müssten politische Entscheidungen her. Der Stabilitätsrat - ein Bund-Länder-Gremium zur Haushaltsüberwachung und in den Augen von Verdi-Landeschef Alfred Staudt eine demokratisch nicht legitimierte "Geheimloge" - verlangte unlängst, das Saarland müsse seinen Sparkurs "zügig deutlich verstärken". Wenn die große Koalition heute in Sparklausur geht, sitzt deshalb in Gedanken auch der Stabilitätsrat mit am Tisch.

Finanzminister Stephan Toscani (CDU) räumt ein, die Schuldenbremse zu packen, werde schwer, "aber es ist zu schaffen, wenn wir uns an den Besten orientieren". Nur mit hartem Sparen kann das Saarland aus Sicht der großen Koalition seine Eigenständigkeit verteidigen. Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ist da deutlich skeptischer. In seinen Memoiren "Weil die Welt sich ändert" (2012) schreibt er, schon "in nicht allzu ferner Zukunft" werde die Schuldenbremse das Saarland zur Länderfusion zwingen. Der Wirtschaftsprofessor Ashok Kaul von der Saar-Uni sieht für die Jahre ab 2017 kaum noch Spielraum für Kürzungen, "außer mit einem sozialen und bildungspolitischen Kahlschlag". Der Grund dafür sei die Alterung der Gesellschaft, die Steuerausfälle und höhere Pensionslasten mit sich bringe. Ob das Land auf mehr Steuereinnahmen hoffen darf, die ja den Spardruck mindern würden, wird in Berlin entschieden - und nicht zuletzt von der Bundestagswahl abhängen. Die eigenen Möglichkeiten zur Einnahmenverbesserung - das sehen selbst die Gewerkschaften so - sind mit der zweimaligen Erhöhung der Grunderwerbssteuer inzwischen ausgeschöpft.

Das Ziel, dem sich im Land in den nächsten Jahren so gut wie alles unterordnen soll, ist ein ausgeglichener Haushalt bis 2020 - so schreibt es das Grundgesetz vor. Der Bund unterstützt das Saarland auf diesem Weg mit jährlich 260 Millionen Euro. Sie fließen allerdings nur, wenn die Regierung im Stabilitätsrat regelmäßig nachweisen kann, dass es die strikten Vorgaben der Schuldenbremse einhält. Und dazu gehört, dass es seine Finanzierungslücke Schritt für Schritt ein Stück schließt (siehe Grafik links).

Dieses sogenannte strukturelle Defizit (siehe Infokasten) wurde für 2010, das Ausgangsjahr der Schuldenbremse, auf knapp 1,25 Milliarden Euro beziffert. Die bereits beschlossenen Sparmaßnahmen (siehe Grafik rechts) haben dieses Defizit bislang um 202 Millionen Euro gedrückt. Mit dem jüngst konkretisierten Abbau von 2400 Stellen will die Landesregierung bis zum Jahr 2020 zudem rund 120 Millionen Euro sparen. Um die Finanzierungslücke bis 2020 weiter zu schließen, soll die Einsparsumme bis zur nächsten Landtagswahl im Jahr 2017 jedes Jahr um 65 Millionen Euro (davon macht der nun beschlossene Stellenabbau ein knappes Viertel aus) steigen. Dauerhafte Steuer-Mehreinnahmen und auslaufende Konjunkturprogramme mildern den Spardruck, ansonsten müsste der Betrag deutlich höher liegen.

Und wenn es am Ende trotz aller Sparbemühungen doch nicht reicht? Etwa weil die Steuereinnahmen wegen einer möglichen Konjunkturkrise wegbrechen oder sich das derzeit günstige Zinsniveau ändert? Gedankenspiele, die es auch in der großen Koalition gibt. Dort heißt es: Wenn das Saarland die Schuldenbremse mit seinem harten Sparkurs nicht schaffen sollte, dürfe es wenigstens nicht als erstes Land die weiße Fahne hissen. Denn dann könne es mit der Eigenständigkeit schneller vorbei sein, als viele denken.

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StichwortDas strukturelle Defizit ist der zentrale Begriff der Schuldenbremse. Damit ist die Finanzierungslücke des Landeshaushaltes gemeint, wenn kurzfristige, konjunkturelle und bestimmte Ein-Mal-Effekte bei Ausgaben und Einnahmen herausgerechnet werden. Dazu zählen besonders hohe oder niedrige Steuereinnahmen infolge einer guten oder schlechten Konjunktur, Veräußerungen oder Zukäufe von Unternehmensbeteiligungen sowie Schattenhaushalte, etwa Konjunkturfonds, wie sie in der Wirtschaftskrise 2010 beschlossen worden waren. Nach der Schuldenbremse dürfte das Land in einer Wirtschaftskrise nach 2020 also durchaus neue Schulden machen - aber nur, wenn es sie in wirtschaftlich guten Jahren wieder abbaut. kir

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