Wie miete ich mir einen Minister?

Berlin · Die SPD hat gegen Geld Termine mit Ministern und anderen Spitzenfunktionären angeboten. Die Treffen konnten von Unternehmen oder Lobbygruppen für bis zu 7000 Euro bei einer Agentur der Partei gebucht werden.

Es ist nicht so, dass der "Vorwärts", die Zeitung der SPD , nicht gern die Öffentlichkeit sucht. Gestern aber waren die Verantwortlichen plötzlich abgetaucht. Die ZDF-Sendung "Frontal 21" hatte berichtet, beim "Vorwärts" könne man gegen Geld sozialdemokratische Minister für illustre Gespräche buchen. "Rent a Sozi" nach der "Rent a Rüttgers"-Äffäre des früheren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen?

Bei Jürgen Rüttgers hatte die NRW-CDU im Jahr 2010 Firmen angeboten, für 20 000 Euro ein Einzelgespräch mit dem Regierungschef oder einem Minister am Rande des Landesparteitages zu bekommen. Doch es kam nicht dazu, die Sache flog auf. . Vorteil Rüttgers, Nachteil SPD . Denn bei ihr nahmen keine Geringeren als Heiko Maas (Justiz), Barbara Hendricks (Umwelt), Andrea Nahles (Soziales), Manuela Schwesig (Familie) und weitere Top-Politiker tatsächlich an so genannten "Vorwärts-Gesprächen" teil. Auch Fraktionschef Thomas Oppermann , der im Fall Rüttgers noch von einer "Bananenrepublik" gesprochen hatte, war dabei.

Organisiert wurden die Veranstaltungen von einer "Vorwärts"-Tochtergesellschaft, der "Network Media GmbH" in Berlin , die für die Zeitung sonst auch Anzeigen einwirbt und Kampagnen organisiert. Sie dementierte den ZDF-Bericht nicht, stellte aber, wohl um den Unterschied zu Rüttgers zu verdeutlichen, per schriftlicher Stellungnahme klar, dass es sich nicht um Einzelgespräche, sondern um Foren mit bis zu 20 Teilnehmern gehandelt habe. Es sei, so die Veranstalter gegenüber "Frontal 21", darum gegangen, die Veranstaltungen zu finanzieren. Preis: 3000 bis 7000 Euro. "Weniger als zehn" solcher Gespräche pro Jahr räumte die Agentur gegenüber "Frontal" ein, ein Drittel davon ohne Sponsor. Meist fanden sie in guten Berliner Restaurants statt, das Geld ging für Speisen und Getränke drauf.

Worin jedoch lag der Vorteil für den Sponsor? Ein Treffen mit Justizminister Heiko Maas am 12. Oktober zum Thema "Datenschutz in der digitalen Welt" zum Beispiel wurde von der Ing-Diba finanziert. Das Thema berührt die Bank nur indirekt. Es sei um ein Kennenlernen gegangen, eine Gegenleistung des Ministers erwarte man nicht, so die Banker. Der saarländische SPD-Chef ließ verlauten, er habe nicht gewusst, wie die Veranstaltung zustande gekommen sei.

Auffällig ist, dass von allen Tre ffen nicht öffentlich berichtet wurde. Es waren also sehr intime Runden. Der "Vorwärts" habe wichtigen Entscheidern und Meinungsträgern damit eine politische Dialogmöglichkeit anbieten wollen, hieß es bei den Sozialdemokraten zur Erklärung. Sponsor und Thema hätten nichts miteinander zu tun gehabt. Allerdings ist man in der SPD-Zentrale "ziemlich unglücklich" über die Praxis und wohl noch mehr über die Medienberichte. "Das wird sich nicht wiederholen", hieß es. Parteichef Sigmar Gabriel , der nicht zu den Gästen der Gesprächsreihe gehörte und angeblich nichts gewusst hat, soll ziemlich sauer sein.

Dass die SPD finanziell irgendetwas davon gehabt habe, dementierten die Veranstalter. Die gesamte "Vorwärts"-Gruppe habe in den Jahren 2012 bis 2015 keine Gewinne abgeführt. Und dass die beteiligten Politiker etwas von dem Geld behalten hätten, behauptet niemand. Dennoch bleibt ein Beigeschmack. Die Bundes-CDU forderte die SPD bereits auf, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären. "In der CDU-Bundesgeschäftsstelle gibt es keine entsprechende Praxis", hieß es auf Anfrage. Auch die FDP beteuerte: "Solche Angebote gibt es bei uns nicht."

Lobbycontrol, eine Vereinigung, die sich für mehr Transparenz einsetzt, verwies gestern darauf, dass die Parteien die Grauzone des Sponsoring bisher ungeregelt gelassen haben. So ist die Finanzierung von Parteitagen durch Aussteller aus der Wirtschaft weiter gängige Praxis. Die Schlupflöcher des Parteiengesetzes müssten endlich geschlossen werden, verlangte die Initiative. Käufliche Kontakte zu Politikern müssten verboten und generell alle Sponsorengelder offengelegt werden. Die Verwaltung des Deutschen Bundestags erklärte am späten Abend dazu, dass es "keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Finanzierungsregeln des Parteiengesetzes" gebe.

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