Abschottung Wie Frankreich die Zahl der Asylbewerber verringern will

Paris · Abschiebehaft für Kinder, schnellere Verfahren: Das neue Asylgesetz wird selbst in der Regierungspartei von Präsident Macron teils heftig kritisiert.

61 Stunden und 33 Minuten dauerte die hitzige Debatte über das neue Asylrecht. Kurz vor Mitternacht am Sonntag verabschiedete die französische Nationalversammlung in erster Lesung den Text, mit dem Innenminister Gérard Collomb die Zahl der Asylbewerber verringern will. 228 Abgeordnete votierten dafür, 139 dagegen, 24 enthielten sich. Es war der vorläufige Schlusspunkt einer heftigen Auseinandersetzung zwischen denen, die Frankreichs Asyltradition erhalten, und jenen, die das Land am liebsten abschotten wollen. Hilfsorganisationen sehen einen Schritt hin zur Abschottung getan. „Es handelt sich um einen Text, der gefährlich ist für Migranten und Asylbewerber“, warnte Amnesty International.

Collomb will die Aufnahme derjenigen, die ein Anrecht auf Asyl haben, erleichtern – und die Abschiebung abgelehnter Bewerber gleichzeitig beschleunigen. So soll ein Asylantrag künftig in sechs statt bisher elf Monaten bearbeitet werden. Außerdem sollen Asylbewerber sechs Monate nach ihrem Antrag arbeiten dürfen. Gleichzeitig wird aber die Frist, in der abgelehnte Bewerber Einspruch erheben können, auf 15 Tage verkürzt. Die Abschiebehaft wird von 45 auf 90 Tage verlängert, Collomb wollte sogar 135 Tage. Besonders umstritten ist die Regelung, auch Kinder in Abschiebehaft zu nehmen. „Gibt es keine andere Lösung als diese barbarische?“, fragte der Linksaußen Jean-Luc Mélenchon. Seine Partei stimmte ebenso wie die Sozialisten gegen den als „unmenschlich“ kritisierten Text.

Auf der rechte Seite des Parteienspektrums votierten die konservativen Republikaner und der Front National (FN) mit Nein. Ihnen geht das Gesetz, das im Juni im Senat debattiert wird, nicht weit genug. „Republikaner und FN als traurige Verbündete einer harten und extremen Rechten. Die gleichen Wörter, die gleichen Argumente, der gleiche Widerstand“, bemerkte ein Abgeordneter der Regierungspartei LREM. Beide fordern ein Referendum zu Einwanderung. Auch beim „Recht des Bodens“, das in Frankreich geborenen Kindern die Staatsangehörigkeit garantiert, nähern sich die beiden Parteien an. FN-Chefin Marine Le Pen will es ganz abschaffen. Der Chef der Konservativen, Laurent Wauquiez, verlangt Ausnahmen, beispielsweise für Kinder, deren Eltern sich illegal im Land aufhalten.

Die Rhetorik des Front National prägte auch die Debatte in der Nationalversammlung. So sprach Collomb in seiner Argumentation von einer „Überschwemmung“ Frankreichs durch Flüchtlinge. Das Nachbarland hatte im Vorjahr rund 100 000 Asylbewerber registriert, ein Plus von 17 Prozent. Die Zahlen dienten dem Innenminister als Rechtfertigung für sein Projekt, das nicht nur von den Linksparteien kritisiert wird. Auch der Menschenrechtsbeauftragte Jacques Toubon, ein ehemaliger Justizminister, zog gegen das Gesetz zu Felde. „Der Gesetzentwurf ist von einer Logik des Verdachts unterlegt, die Unterdrückung über die grundlegenden Rechte der Ausländer stellt“, erklärte er. Im Rechtsausschuss lieferte er sich einen Schlagabtausch mit einer LREM-Abgeordneten, die ihm vorgeworfen hatte, die Realität außer Acht zu lassen. „Die Grundrechte können nicht relativ sein“, konterte der sichtlich empörte Toubon.

Auch innerhalb von Macrons LREM hatte sich Widerstand formiert. Letztlich enthielten sich am Sonntag 14 Abgeordnete, nachdem Fraktionschef Richard Ferrand bei einem Nein mit Ausschluss gedroht hatte. Nur der LREM-Abgeordneter, Jean-Michel Clément, stimmte gegen den Text und trat aus der Fraktion aus. „Dieses Gesetz zu Asyl und Einwanderung war eine wunderbare Tribüne für den Front National. Er geht als Gewinner aus dieser Debatte hervor, die Asyl und Einwanderung vermischt“, kritisierte er.

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