"Wie die Titanic"
Rom. Es sollte eine Traumreise im Mittelmeer werden, acht schöne Tage unter dem Motto "Duft der Zitrusfrüchte" mit Stationen in Barcelona, Palma de Mallorca und Palermo. Für die mehr als 4200 Passagiere und Besatzungsmitglieder des Kreuzfahrtriesen "Costa Concordia" gerät die Luxusfahrt vor der Küste der Toskana zum nächtlichen Alptraum
Rom. Es sollte eine Traumreise im Mittelmeer werden, acht schöne Tage unter dem Motto "Duft der Zitrusfrüchte" mit Stationen in Barcelona, Palma de Mallorca und Palermo. Für die mehr als 4200 Passagiere und Besatzungsmitglieder des Kreuzfahrtriesen "Costa Concordia" gerät die Luxusfahrt vor der Küste der Toskana zum nächtlichen Alptraum. Das Schiff läuft an einem Felsen auf Grund, Panik bricht unter den Passagieren aus, viele springen ins Wasser. Bis zu 150 Menschen werden von Rettungsmannschaften aus dem Meer gefischt. Für mindestens fünf kommt jede Hilfe zu spät.Die übrigen Passagiere und Besatzungsmitglieder gelangen in den Rettungsbooten zur nahe gelegenen Insel Giglio. Verfroren und verstört lassen sich die Italiener, Spanier, Franzosen, Japaner sowie auch mehr als 500 Deutschen zumeist in ihrer Abendkleidung retten. Nach SR-Informationen waren sechs Saarländer an Bord, darunter die Saarbrückerin Inge Plattner, die das Unglück in ihrer Kabine erlebt. Als der Unfall sich ereignet, gibt es einen Knall, der Strom fällt aus. Das Schiff hat einen Felsen gerammt, Wasser dringt ein. Es kommt zu Szenen "ähnlich wie im Film 'Titanic'", berichtet ein 38-jähriger deutscher Passagier von der gefährlichen Schräglage des Schiffes. Wer abergläubisch ist, erinnert sich: Es ist Freitag, der 13.
Vielen an Bord des 290 Meter langen und knapp 36 Meter breiten Kreuzfahrtriesen kommt als erstes die Katastrophe der "Titanic" in den Sinn: Augenzeugen und Betroffene berichten nach der Rettung von dramatischen Szenen - denn das Schiff neigt sich schnell in die Schieflage. Mütter hätten nach ihren Kindern geschrien, und manchem sei die Todesangst ins Gesicht geschrieben gewesen. Es habe an den richtigen Schwimmwesten gefehlt. Verzweifelt sprangen Menschen ins eiskalte Mittelmeer.
Wie konnte das passieren? Menschliches Versagen, ein Fehler in der Elektronik? Im Visier der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls der Kapitän Francesco Schettino (52), der wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen wird. Der leitende Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio, hält ihm vor, die Route geändert und der Insel zu nahe gekommen zu sein. Er habe, einem Schiffsbrauch üblich, die Bewohner der Insel "grüßen" wollen. Viel zu spät sei Alarm geschlagen worden, zu früh habe der Kapitän sein Schiff verlassen - die Evakuierung war noch in vollem Gang.
Rund um das Schiff mit dem langen, klaffenden Riss an der Seite suchten ein Dutzend Schiffe, neun Hubschrauber, Feuerwehrleute und Taucher nach Vermissten. Dutzende waren im Schiff eingeschlossen. Die schwierige Suche in dem gekenterten Schiff bringt am Sonntag Licht und Schatten: Ein koreanisches Paar in den Flitterwochen kann gerettet werden, danach ein verletzter Offizier. Stunden später finden Taucher im Heckteil zwei Leichen.
Als die Schiffbrüchigen wieder festen Grund unter den Füßen hatten, hagelte es massive Kritik an der Rettungsaktion: Passagiere berichteten, die Crew sei in Panik verfallen, Schwimmwesten habe man sich selbst besorgen müssen. Auch Inge Plattner aus Saarbrücken kritisierte die Rettungsaktion: "Sie verlief chaotisch und dramatisch. Es waren titanicähnliche Zustände", sagte sie dem SR.
Andere Passagiere sprachen von einem viel zu spätem Handeln des Personals. Sie hätten sich wirklich an die "Titanic" erinnert "und geglaubt, wir müssten in diesem Alptraum sterben." Der Untergang der "Titanic" jährt sich im April dieses Jahres zum 100. Mal.
Die "Costa Concordia" mit ihren 114 500 Registertonnen ging erst vor sechs Jahren auf Jungfernfahrt. Sie hat 58 Balkon-Suiten, 13 Bars und fünf Restaurants. Die Stromkapazitäten an Bord könnten eine Stadt von 50 000 Einwohnern versorgen, die verlegten Kabel sind zusammen etliche hundert Kilometer lang. Nach der Havarie war die Schlagseite dann aber so stark, dass ein Gutteil des Schiffes im Mittelmeer verschwunden war.
Auf einen Blick
Unglücke auf Kreuzfahrtschiffen haben sich schon oft ereignet. Die schlimmste Katastrophe traf 1986 die sowjetische "Admiral Nachimow" im Schwarzen Meer: 398 Menschen starben.
September 2011: Bei einem Brand auf dem Schiff "Nordlys" in Norwegen kommen zwei Besatzungsmitglieder ums Leben. 16 Menschen erleiden Verletzungen.
März 2010: Im Sturm vor der spanischen Costa Brava zertrümmern Wellen Teile der Aufbauten des Kreuzfahrtschiffes "Louis Majesty" und drücken mehrere Fenster ein. Ein 69-jähriger Urlauber aus Nordrhein-Westfalen und ein 52 Jahre alter Italiener werden getötet, 16 weitere Passagiere verletzt.
November 2001: Nach einem Feuer rammt das deutsche Kreuzfahrtschiff "Arkona" beim Einlaufen in den spanischen Hafen von Mahon eine Kaimauer. Das aus der Fernsehserie "Traumschiff" als "Astor" bekannte Schiff wird schwer beschädigt. Die rund 300 Passagiere werden in ihre Heimatländer zurückgeflogen. dpa