Wie Deutschland zum Radler-Paradies werden soll

Berlin · Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sein Herz für Radfahrer entdeckt. Mit einer millionenschweren Finanzspritze will er den Bau von Schnellradwegen in Deutschland forcieren. Das hat gleich mehrere Gründe.

Fahrradfahrer vor: Wer einmal im europäischen Ausland war, der hat dort mitunter fast schon paradiesische Zustände für Radler angetroffen. In Metropolen wie London, Kopenhagen oder Amsterdam gibt es zahlreiche Schnellwege für Drahtesel. Immer mehr Menschen nutzen sie auch - sie lassen das Auto lieber stehen und fahren mit dem Rad zur Arbeit oder zum Einkaufen. Das soll nach dem Willen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) auch in Deutschland bald zunehmend der Fall sein. Der Minister hat sein Herz für Radfahrer entdeckt.

Nach Informationen unserer Zeitung will Dobrindt jetzt den Bau von Radschnellwegen hierzulande forcieren. Der Minister plant ein millionenschweres Förderprogramm. Dafür muss er zugleich eine Gesetzesänderung vornehmen. Denn der Trend ist nicht zu ignorieren.

Inzwischen gehören die flotten Radlerstrecken immer öfter auch zur Verkehrsplanung deutscher Städte dazu. So führen schon durch Göttingen und Essen Schnellrouten, auf denen Radfahrer zügig und von Autos und Schwerlastverkehr unbehelligt vorankommen. In der Region Nürnberg, im Ruhrgebiet, in Frankfurt, Hamburg und Berlin sind sie laut Ministerium bereits in Planung. Diese Entwicklung wolle man nun mitgestalten "und dafür sorgen, dass das Rad weiter an Attraktivität gewinnt", sagte Dobrindt zur SZ. Hintergrund ist auch der Trend zu immer mehr Elektrorädern, die inzwischen von vielen Pendlern genutzt werden. "Elektromobilität und Digitalisierung werden auch das Radfahren grundlegend verändern", so der Minister . "Wir stehen hier vor einem Innovationssprung." Das Förderprogramm soll zunächst zwischen 25 und 30 Millionen Euro umfassen und gegebenenfalls aufgestockt werden.

Radschnellwege verlaufen getrennt vom übrigen Verkehr. Sie haben eine großzügige Breite, einen gut befahrbaren Belag, die Streckenführung ist vorfahrtsberechtigt und weitgehend ampelfrei. Das Radfahren wird damit im Alltag deutlich angenehmer, schneller und vor allem sicherer. Pendler-Strecken von 25 Kilometern oder mehr sind laut Radfahrerclub ADFC realistisch.

"Mutterland" des Vorhabens sind wie so oft die Niederlande. Dort gibt es bereits 300 Kilometer Strecke, 600 weitere Kilometer sind in Planung. Laut Experten fahren dort in Regionen mit Radschnellwegen 25 Prozent der Berufstätigen inzwischen mit dem Rad zur Arbeit - in Deutschland sind es nach wie vor nur elf Prozent. In einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen heißt es, die Schnellrouten würden dazu beitragen, "Lärmbelästigung, Stau, Unfälle und Schadstoffemissionen zu reduzieren". Außerdem förderten sie "einen körperlich aktiven Lebensstil" - kurzum: die Gesundheit.

Der Bau von Radwegen ist jedoch eigentlich Sache der Länder und Kommunen, da darf der Bund sich bislang nur bedingt einmischen. Damit künftig direkt Zuschüsse für den Bau von Radschnellwege fließen können, soll nun das Bundesfernstraßengesetz geändert werden. Ein Sprecher des ADFC begrüßte auf Nachfrage das Programm. Gleichwohl kann Dobrindts Millionenspritze nur als Anreiz verstanden werden, die Situation für Radler in den Kommunen zu verbessern. So beläuft sich etwa allein die Kostenschätzung für den bereits im Bau befindlichen Radschnellweg "Ruhr RS1" auf 187 Millionen Euro. Bis zu den "paradiesischen Zuständen" für Fahrradfahrer ist es also noch ein weiter und teurer Weg.

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