Wie der Libanon in den Strudel der Gewalt gerät

Beirut · Hinter den schweren Anschlägen im Libanon stecken die Hauptakteure des Konflikts in Syrien. Davon sind Politik-Experten überzeugt. Und sie befürchten, dass es weitere Terrorakte geben wird.

Zwei Bombenattentate mit fast 70 Toten binnen acht Tagen - der Libanon gerät immer tiefer in den Strudel der Gewalt im Nachbarland Syrien. Experten und Sicherheitskräfte befürchten weitere schwere Anschläge in den kommenden Wochen. Sie rechnen aber derzeit nicht mit einem Wiederaufleben des Konfessionskriegs im Libanon.

"Es ist nicht auszuschließen, dass explodierende Autobomben oder andere Terrorakte an jedem Ort im Lande passieren können", sagt Fadia Kiwane, Direktorin des Instituts für Politische Wissenschaften an der Beiruter Sankt-Joseph-Universität. Verantwortlich dafür seien die im Untergrund tätigen "Fünften Kolonnen der syrischen Kriegsparteien", sagt Kiwane. Egal ob die Regierung in Damaskus, die frühere selbsternannte Schutzmacht im Libanon, oder die sunnitischen Dschihadisten der Al-Nusra-Front - es seien die Hauptdarsteller des Konflikt in Syrien, "die hinter den Anschlägen im Libanon stecken. Und das wird wahrscheinlich weitergehen", befürchtet die Politologin.

Am 15. August war in einem Viertel Südbeiruts, einer Hochburg der auf Seiten der syrischen Regierungstruppen kämpfenden schiitischen Hisbollah-Miliz, eine Sprengladung detoniert, die 27 Menschen tötete. Am vergangenen Freitag gingen vor zwei sunnitischen Moscheen in der nordlibanesischen Großstadt Tripoli zwei Autobomben hoch; 42 Menschen starben. Einhellig verurteilten alle politischen Lager im Libanon beide Attentate. Von der Hisbollah bis hin zu den sunnitischen Parteien wurden sie als Versuch gewertet, konfessionellen Zwist im Lande zu schüren und einen Krieg zwischen Schiiten und Sunniten heraufzubeschwören. Die Spannungen zwischen den beiden wichtigsten muslimischen Bevölkerungsgruppen sind durch den syrischen Bürgerkrieg angeheizt worden, weil die Sunniten in ihrer großen Mehrheit die aufständische Opposition im Nachbarland unterstützen, während die Schiiten auf Seiten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seiner Alawiten stehen, die zur Schia-Konfession des Islams gehören.

Nach den jüngsten Ereignissen "sitzen die Libanesen nun alle im gleichen Boot und fürchten um ihre Sicherheit", sagt Kiwane und appelliert: "Alle müssen beschwichtigend wirken, um das Terrorklima nicht zu begünstigen." Experten sind sich einig, dass gegenwärtig keine Partei im Libanon, der von 1975 bis 1990 unter einem Bürgerkrieg litt, Interesse haben kann, wieder in einen Konfessionskrieg zu geraten.

Einig sind sie sich auch in ihrer Empfehlung an die politischen Lager im Libanon, was zu tun sei: "Nun müssen sich beide Seiten für eine Regierung der nationalen Einheit entscheiden", sagt die Wissenschaftlerin Kiwane und verweist auf die politische Lähmung des Landes. Seit fünf Monaten gibt es in Beirut keine Regierung mehr, Neuwahlen sollen erst im Frühjahr stattfinden.

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