Wie Brüderle sich gegen Merkel durchsetzteErst die Mehrheit - dann die Zumutung?

Berlin. Die vier Opel-Standort-Länder Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz müssen eventuelle Hilfen für den Umbau des Autoherstellers allein schultern. Bundesbürgschaften sind erst einmal vom Tisch. Das wurde gestern bei einem Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder deutlich

Berlin. Die vier Opel-Standort-Länder Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz müssen eventuelle Hilfen für den Umbau des Autoherstellers allein schultern. Bundesbürgschaften sind erst einmal vom Tisch. Das wurde gestern bei einem Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder deutlich.Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle dürfte den gestrigen Tag genossen haben. Seit Monaten warnt der Liberale vor einer Unterstützung der deutschen Tochter des US-Konzerns General Motors. Am Mittwoch lehnte er die beantragte Staatsbürgschaft über 1,1 Milliarden Euro dann endgültig ab. Doch die Kanzlerin fuhr ihm prompt in die Parade. Das letzte Wort sei hier noch nicht gesprochen, erklärte Merkel. Damit drohte ein weiterer Konflikt in der schwarz-gelben Koalition zu eskalieren. Nun gibt es offenbar erst einmal Entwarnung. Merkels mutmaßlicher Plan, einen Teil der Mittel doch noch locker zu machen, und zwar über die Europäische Investitionsbank, hätten auch eine Bürgschaft des Bundes erfordert. Doch das hatte Brüderle genauso verworfen wie eine Hilfe aus dem so genannten Deutschlandfonds. Durch den im Vorjahr eingerichteten Geldtopf wurde bislang mehr als 10 000 Firmen geholfen. Entscheidend dabei ist, dass die Unternehmen nachweislich durch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten geraten sind. Dieses Kriterium sah Brüderle bei Opel als nicht erfüllt an. Unterstützung erhielt er dafür auch von den Grünen. Die Entscheidung des Ministers sei "völlig richtig, denn die Probleme von Opel sind älter als die Krise", sagte der Haushaltsexperte der Partei, Alexander Bonde. Auch in der Fachwelt herrscht Einigkeit darüber, dass Staatshilfen für Opel völlig fehl am Platze sind. "Die Steuerzahler sollen alle Risiken tragen, obwohl General Motors die Mittel selbst hat und nur auf finanzielle Vorteile aus ist", sagte der Experte für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, unserer Zeitung. Allein in China seien in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 50 Prozent mehr Autos verkauft worden. In den USA sei es ein Plus von 20 Prozent gewesen, in Südkorea 40 Prozent. Den GM-Gewinn vor Steuern und Zinsen beziffert Dudenhöffer auf mindestens fünf Milliarden Dollar in diesem Jahr. Im ersten Quartal waren es bereits 1,8 Milliarden Dollar. Der Experte verwies darauf, dass sich GM bereit erklärt habe, seinen restlichen US-Staatskredit in Höhe von sechs Milliarden Dollar schon im Juli zu tilgen, obwohl das überhaupt nicht gefordert sei. "GM will deutsches Staatsgeld, um seinen Kredit in den USA schneller zurückzuzahlen." Dadurch hätte GM Zinsvorteile von etwa 300 Millionen Euro, kritisierte Dudenhöffer. Dass die betroffenen Bundesländer trotzdem Hilfe leisten wollen, ist für Brüderle kein Beinbruch. Den Ländern stehe es frei, Opel mit eigenen Mitteln zu helfen, meinte der Minister. Berlin. Das Misstrauen ist so heftig wie die Attacken, die sich Union und FDP liefern. Haben Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) schon Pläne für Steuererhöhungen vorbereitet, um sie nach der Bundespräsidenten-Wahl hervorzuholen? Erst die Mehrheit für den schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff, dann die Zumutung. "Mir sind solche Pläne nicht bekannt", wehrte FDP-General Christian Lindner ab. Aber: Angesichts des vergifteten Koalitionsklimas ist alles denkbar. Zumal es Drohungen aus der hessischen FDP gab, nicht für Wulff zu stimmen.Gestritten wird um das Sparpaket, Steuererhöhungen, die Gesundheitsreform, den Präsidentschaftskandidaten und nun auch über Opel-Hilfen. Und regelmäßig sind die Liberalen die Düpierten. Weshalb die Frage erlaubt ist, wann sie die Koalitionsfrage stellen: "Wir sind in einer Phase, wo wir einen gordischen Knoten haben", räumte Lindner ein.Aus Sicht der FDP ist fürs Knotenentwirren die Kanzlerin zuständig. Denn die Schuldigen für die Zankereien sitzen laut Lindner in der Union. Die Debatte dort über Steuererhöhungen müsse eingestellt werden. Eine "Richtungsweisung" sei das Werben Merkels für das Sparpaket und ihre Ablehnung von Steuererhöhungen vor dem CDU-Wirtschaftsrat gewesen, was manche für ein "Machtwort" halten. In einem Interview ergänzte Merkel noch, sie sei "nicht bereit zu akzeptieren", wie FDP und CSU übereinander reden würden.Allerdings geht es auch bei den Liberalen drunter und drüber: Einige FDP-Politiker aus den Ländern denken über ein Ja für den Präsidentschaftskandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, nach. Und zu Attacken auf die Union fühlt sich fast jeder berufen. Da wäre auch ein Machtwort des Parteivorsitzenden Guido Westerwelle in die eigenen Reihen hinein angebracht. Es sei normal, dass es unterschiedliche Akzente gebe, widersprach Lindner. Die FDP sei eine "lebendige Partei". Die Union nicht? Meinung

Merkels Irrfahrt

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter Beinah täglich schreibt Schwarz-Gelb an einem neuen Kapitel seiner Selbstzerfleischung. Nun lagen auch noch beim Thema Opel die Nerven blank. Der FDP-Wirtschaftsminister stemmte sich gegen Bundeshilfen für den Autobauer, derweil seiner Dienstherrin von der CDU das glatte Gegenteil vorschwebte. Man mag der FDP in den letzten Monaten zu Recht ein gerüttelt Maß an Realitätsverlust bescheinigt haben. Aber in Sachen Opel ist es ein Segen, dass sich die Liberalen durchgesetzt und die Irrfahrt von Merkel gestoppt haben. Ein US-Mutterkonzern, der wieder Gewinne in Milliardenhöhe erwirtschaftet, kann auch das Geld dafür aufbringen, seine Opel-Tochter fit zu machen.

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