Wie Berlin Armut im Alter verhindern will
Berlin. Es war eine schwere Geburt - und am Ende fast eine Sturzgeburt. Völlig überraschend präsentierte Ursula von der Leyen am Mittwoch ein umfangreiches Gesetzespaket. Es soll auf lange Sicht Armutsrenten verhindern. Schwanger ging die Bundesarbeitsministerin damit seit fast zehn Monaten. Doch es zog und zog sich hin
Berlin. Es war eine schwere Geburt - und am Ende fast eine Sturzgeburt. Völlig überraschend präsentierte Ursula von der Leyen am Mittwoch ein umfangreiches Gesetzespaket. Es soll auf lange Sicht Armutsrenten verhindern. Schwanger ging die Bundesarbeitsministerin damit seit fast zehn Monaten. Doch es zog und zog sich hin.Ein erster Entwurf versandete, weil Kritiker in Kabinett und Koalition nicht mitziehen wollten. Auch war das Echo bei Gewerkschaften, Wirtschaft und Sozialverbänden durchweg negativ. Nun ist der Entwurf mit dem Kernstück einer Zuschusszahlung auf Niedrigrenten, mit der diese auf maximal 850 Euro aufgestockt werden, in der Ressortabstimmung. Nur, wenn die Ministerkollegen mit dem Entwurf einverstanden sind, kommt er ins Bundeskabinett. Ob das gelingt, ist offen. Auch, ob es im zweiten Anlauf ein großer Wurf geworden ist.
Noch ist das Thema Altersarmut in Deutschland ein Randthema. Nur etwa 600 000 der mehr als 20 Millionen Ruheständler sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Ihre Rente deckt nicht das Existenzminimum ab. Dass dennoch Handlungsbedarf herrscht, bestreitet inzwischen kaum noch jemand. Auch von der Leyen nicht. Immer mehr Bürger steuern auf eine Niedrigrente zu wegen gebrochener Erwerbsbiografien, Arbeitslosigkeit oder prekärer Beschäftigung. Hinzu kommt der generell zunehmende Druck auf die Löhne.
Auffällig ist: Von der Leyen hat das 67 Seiten starke Werk umbenannt. Erblickte der Erstling im März noch unter dem Titel "Gesetz zur Anerkennung von Lebensleistung in der Rentenversicherung" das Licht der Welt, heißt die zweite Version nun: "Gesetz zur Stärkung der Alterssicherung".
Darin ist die Arbeitsministerin den Kritikern an manchen Stellen entgegengekommen: So soll der Zuschuss zur Aufstockung der Niedrigrente auf maximal 850 Euro für jene besser als geplant ausfallen, die Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben. Völlig neu ins Paket ist die - zuletzt auch in den CDU-Reihen umstrittene - Absenkung des Rentenbeitragssatzes Anfang 2013 gekommen. Damit will von der Leyen klarstellen, dass sie an dem gesetzlichen Automatismus nicht rütteln lässt. Der schreibt vor, dass der Rentenbeitrag gesenkt werden muss, wenn die Rücklage der Rentenkasse die Ausgabe von 1,5 Monaten übersteigt. Wegen der derzeit reichlich sprudelnden Beitragseinnahmen zeichnet sich ab: Bis Jahresende dürfte die "eiserne Reserve" auf 29 Milliarden Euro gewachsen sein. Das wären knapp 1,7 Monatsausgaben.
Von der Leyen kann also davon ausgehen, dass der Beitragssatz zum Jahreswechsel von derzeit 19,6 auf 19,0 Prozent des Bruttoeinkommens sinkt. Mindestens. Für einen Beschäftigten mit Durchschnittsverdienst von 2600 Euro bringt das eine Entlastung von monatlich 7,80 Euro. Den gleichen Betrag spart das Unternehmen ein.
Der Entwurf ist ein Werk mit vielen komplizierten Detailregelungen geworden. Die Ministerin hofft, dass das Kabinett Ende August grünes Licht gibt. Doch der Fahrplan könnte erneut wackeln. Den Daumen senkte erneut das Bundeswirtschaftsministerium. Es bleibe beim Nein wegen "erheblicher finanzieller und ordnungspolitischer Bedenken".