Wirtschaftsrat stellt sich quer Widerstand in CDU gegen große Koalition

Berlin/Saarbrücken · Der Wirtschaftsrat der Partei fürchtet bei einer Neuauflage von Schwarz-Rot massive Zugeständnisse an die SPD. Kramp-Karrenbauer kann sich ein Bündnis auf Augenhöhe vorstellen.

Bei der bislang erfolglosen Suche nach einer neuen Bundesregierung wächst in der Union der Widerstand gegen eine erneute große Koalition mit der SPD. Das Präsidium des CDU-Wirtschaftsrats sprach sich gestern einstimmig dafür aus, die Option einer Minderheitsregierung unter der Führung von Angela Merkel „ernsthaft zu prüfen“. Eine solche Regierung sei „keine minderwertige Regierung“. Vielmehr könnte sie im Ringen um Mehrheiten „erheblich“ zur Überwindung der Politikverdrossenheit in Deutschland beitragen. Der Wirtschaftsrat begründet seine Forderung auch damit, dass ein erneutes Bündnis mit den Sozialdemokraten „nur um den Preis weiterer unbezahlbarer Leistungsversprechen in der Sozialpolitik zu bekommen“ sein dürfte. Dies dürfe die Union angesichts der großen demografischen Herausforderungen und angesichts der hohen Ausgaben, die für Bildung und Innovation notwendig seien, nicht zulassen.

Zudem würde nach Ansicht des Gremiums eine abermalige gemeinsame Koalition die Volksparteien CDU/CSU und SPD weiter schwächen. „Die Union würde sich der Gefahr aussetzen, bei der nächsten Wahl unter 30 Prozent abzurutschen“, warnte der Wirtschaftsrat.

Gut zehn Wochen nach der Bundestagswahl und den gescheiterten Jamaika-Sondierungen steigt der Druck, endlich für stabile Verhältnisse zu sorgen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte gestern Abend deshalb die Kanzlerin, CSU-Chef Horst Seehofer und den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz ins Schloss Bellevue eingeladen, um Möglichkeiten einer Regierungsbildung auszuloten. Die Situation ist unter anderem schwierig, weil Seehofer in Bayern gedrängt wird, sein Ministerpräsidentenamt oder das des Parteischefs abzugeben. Schulz wiederum muss, nachdem er die SPD zunächst auf die Opposition eingeschworen hatte, nun in den eigenen Reihen ausloten, inwieweit auch andere Optionen möglich sind.

Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach sich gestern im Deutschlandfunk klar für eine Koalition mit der SPD aus. „Unsere Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass das nicht irgendeine Regierung wird, sondern dass es ein wirkliches Zukunftsbündnis wird.“ Es gehe dabei auch um die Frage, „wie man gemeinsam auf Augenhöhe regiert“. Dies sei in den vergangenen Jahren der Fall gewesen. Die SPD habe „vieles von ihrer Programmatik“ durchsetzen können.

Einer neuen Allensbach-Umfrage zufolge ist die klare Mehrheit der Bundesbürger (61 Prozent) dafür, dass die SPD in Koalitionsgespräche mit der Union eintritt. Diese Ansicht vertreten demnach auch 58 Prozent der SPD-Anhänger.

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