Westerwelle ist gewarntHartmann steht zu Westerwelle, Linsler sieht sich bestätigt

Saarbrücken/Berlin. Dass Guido Westerwelle für sein Leben gerne Außenminister werden wollte, ist ja hinlänglich bekannt. Vielleicht weil er von Anfang an wusste, dass er so regelmäßig Auszeiten vom Berliner Politik-Betrieb würde nehmen können

 Schwere Zeiten: Die Parteibasis ist mit ihrem Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle unzufrieden.Foto: dpa

Schwere Zeiten: Die Parteibasis ist mit ihrem Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle unzufrieden.Foto: dpa

Saarbrücken/Berlin. Dass Guido Westerwelle für sein Leben gerne Außenminister werden wollte, ist ja hinlänglich bekannt. Vielleicht weil er von Anfang an wusste, dass er so regelmäßig Auszeiten vom Berliner Politik-Betrieb würde nehmen können. So wie jetzt, da er auf seiner ersten Balkan-Reise Station an der kroatischen Adria macht, wo ihm höchstens ein laues Lüftchen um die Nase weht und nicht der Sturm, den der Generalsekretär der FDP Saar, Rüdiger Linsler, entfacht hat. Linsler fürchtet nämlich eine Serie von Niederlagen bei Landtags- und Kommunalwahlen, wenn Westerwelle noch länger Partei-Chef bleibt, und forderte ihn deshalb in unserer Zeitung zum Rücktritt auf. So weit ist bislang noch kein Parteifunktionär der FDP gegangen. Gleichwohl rumort es schon lange bei den Liberalen. Die FDP liegt schon seit Wochen in Umfragen bei rund fünf Prozent, teilweise sogar darunter, und hat damit seit der Bundestagswahl rund zehn Prozentpunkte eingebüßt. Das hat auch schon den FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher auf den Plan gerufen, der die Liberalen ermahnte, sich auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen.Schon wesentlich deutlicher wurde der Vorsitzende der Hessen-FDP, Jörg-Uwe Hahn. Der forderte den Außenminister am vergangenen Wochenende auf, sich in der Innenpolitik künftig zurückzuhalten. Generalsekretär Christian Lindner solle für die FDP die Innenpolitik abdecken, ein Vorschlag, dem sich gestern auch der frühere Generalsekretär der Saar-FDP und FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis anschloss. Die FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale (Julis) rief die Parteispitze unlängst zu mehr Teamgeist auf. In einem Strategiepapier des Bundesvorstands der Julis heißt es: "Die Führungsebene von Partei und Fraktion sowie die Minister der FDP müssen sich endlich als Team und weniger als sich gegenseitig belauernde Einzelkämpfer sehen." Das geht auch gegen Westerwelle, dem der Juli-Vorsitzende Lasse Becker im Redaktionsgespräch mit der Saarbrücker Zeitung zuvor schon vorgeworfen hatte, die Partei monozentristisch zu führen. Nicht zuletzt bekommt der Liberalen-Chef Gegenwind aus der Hauptstadt. Der Berliner FDP-Landes- und Fraktionschef Christoph Meyer forderte Westerwelle auf, bis Ende Oktober eine Stimmungswende einzuleiten. Sollte aber ein Jahr nach dem Start der Bundesregierung keine messbare Stimmungswende eintreten, müsse man über eine Neustrukturierung der Aufgabenverteilung sprechen. Westerwelle selbst kommentierte die partei-interne Debatte gestern nicht. Er wird bei seinem Staatsbesuch in Kroatien aber mit Freude vernommen haben, dass er Unterstützer hat. Sachsen FDP-Chef Holger Zastrow nannte die Kritik an Westerwelle gestern "maßlos". Die Äußerungen aus dem Saarland seien "inakzeptabel". Eine "Frechheit" sei das, polterte Zastrow. Auch FDP-Vize Rainer Brüderle wies die Forderung nach einem Rücktritt Westerwelles zurück und mahnte Unterstützung ein: "Wir stehen in guten Zeiten zusammen und auch in schwierigen."Schwierig sind die Zeiten allemal. Der Parteienforscher Gerd Langguth schließt inzwischen einen Putsch gegen Westerwelle nicht mehr aus. Schließlich fürchte derzeit mindestens jeder zweite Bundestagsabgeordnete, bei der nächsten Wahl seinen Sitz zu verlieren. Ob Westerwelle darüber an der Adria nachdenkt? Am besten genießt er seine Auszeit, zu Hause wird es garantiert wieder stürmisch.Saarbrücken. Der FDP-Landesvorsitzende Christoph Hartmann hat sich in die Diskussion über einen Rücktritt von Parteichef Guido Westerwelle eingeschaltet. "Ich persönlich stehe zu Guido Westerwelle", sagte Hartmann gestern. Der Generalsekretär der FDP Saar, Rüdiger Linsler, hatte zuvor in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung Westerwelle aufgefordert, sein Amt als Parteichef zur Verfügung zu stellen. Hartmann räumte "aufgrund des derzeitigen Umfragetiefs und der Uneinigkeiten innerhalb der schwarz-gelben Koalition in Berlin große Unzufriedenheiten" in der saarländischen FDP ein. Die jetzt geäußerte Kritik sei Ausdruck dieser Unzufriedenheit. Nun müsse man stärker als bisher an der inhaltlichen Profilschärfung arbeiten. Der saarländische FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis sagte dem SR, die Debatte um einen Rücktritt Westerwelles komme zur Unzeit. Der nächste FDP-Bundesparteitag sei erst nächstes Jahr, die Diskussion sei daher reichlich früh. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Saar-Landtag, Horst Hinschberger, wollte sich auf Anfrage nicht zu der Debatte äußern. Dies sei Angelegenheit der Partei und nicht der Fraktion. Linsler sieht sich indes in seiner Kritik bestätigt: "Ich habe fast nur positive Rückmeldungen erhalten." jöwMeinung

Nicht mehr im Griff

Von SZ-Redakteur Jörg Wingertszahn Kein Zweifel, Guido Westerwelle hat die FDP nicht mehr im Griff. Die Jungen Liberalen mucken auf, die Hessen-FDP kritisiert fast wöchentlich seinen Führungsstil, der Berliner Landesverband stellt ihm ein Ultimatum, und der Generalsekretär der FDP Saar fordert ihn unverhohlen zum Rücktritt auf. Eine solche Debatte kann sich keine Partei auf Dauer leisten. Eigentlich dürfte sie nie geführt werden, zeigt sie doch, wie angreifbar Westerwelle mittlerweile in den eigenen Reihen geworden ist. Das hat er sich allerdings selbst zuzuschreiben. Steuersenkungen hat er versprochen und damit die FDP wieder in die Regierung geführt - passiert ist aber nichts. Nun rächt sich, dass Westerwelle vor allem auf ein Thema und eine Person gesetzt hat: nämlich sich. Was bleibt, ist ein unbelehrbarer Parteichef, der sich wie ein Monarch benimmt und bald vom Partei-Volk geschasst werden könnte. Manch einer, der ihm heute noch die Treue schwört, wird sich dann vielleicht über sich selbst ärgern.

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