Westerwelle holt zum Gegenschlag aus

Siegen. Gestern Mittag kurz vor 12 Uhr in Siegen - Guido Westerwelle ist in der Innenpolitik zurück. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP werde sich der Außenminister zur Kritik an der Auswahl seiner Begleiter bei Dienstreisen ins Ausland äußern, hatte die FDP angekündigt

Siegen. Gestern Mittag kurz vor 12 Uhr in Siegen - Guido Westerwelle ist in der Innenpolitik zurück. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP werde sich der Außenminister zur Kritik an der Auswahl seiner Begleiter bei Dienstreisen ins Ausland äußern, hatte die FDP angekündigt. Beim ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Rückkehr aus Südamerika nimmt sich der FDP-Vorsitzende - "hier in meiner Heimat" - aber zunächst Zeit fürs Grundsätzliche. Westerwelle will demonstrieren, dass "ich sehr gelassen bin, sehr ruhig, aber auch sehr entschlossen".

Mehr als eine halbe Stunde lang referiert Westerwelle über das, was er die wirklichen Grundfragen der Politik nennt, nur selten wird die Tonlage etwas schriller. Der Parteienstreit stehe erst an zweiter oder dritter Stelle. "In Wahrheit geht es um die Frage, welche Geisteshaltung den Zeitgeist prägen soll", lässt er die Delegierten wissen. Die FDP stehe in dieser Auseinandersetzung für Werte wie "Fleiß", "Leistungsgerechtigkeit" und "Anstrengung". Auf der anderen Seite stünden "Kräfte der Beharrung" in den anderen Parteien, die Technologien wie die Gentechnik oder Atomkraft sowie Reformen ablehnten. Er werde seinen Positionen "mit Ausdauer und gegen jeden Gegenwind durchhalten". Erstmals brandet in der Siegerlandhalle lauter Beifall auf.

Westerwelle ist auch in Siegen zunächst noch ganz Außenminister. Er berichtet über seine Erfahrungen in China, Argentinien und Brasilien. "Entwicklungsländer aus meiner Jugendzeit", die Deutschland inzwischen eingeholt und bald überholt hätten. Diese Länder fragten nicht erst nach Risiken neuer Techniken. Wie sie müssten die Deutschen Ja sagen zur Zukunft. Als furchtloser Streiter gegen die "Kräfte der Beharrung" präsentiert sich Westerwelle in Siegen.

Doch dann zeigt Westerwelle, dass unter dem feinen Zwirn des Diplomaten auch der Kampfanzug des Parteipolitikers steckt. In der Hartz-IV-Debatte schwenke jetzt auch die SPD auf seinen Kurs ein, weil sie merke, dass die Mehrheit der Menschen ihm folge. Dann macht Westerwelle eine Kunstpause, setzt ein Lächeln auf und sagt in Richtung der im Saal sitzenden Journalisten in makelloser Aussprache: "The published opinion ist not always the public opinion." (Die veröffentlichte Meinung ist nicht immer die öffentliche Meinung.) Eine Spitze gegen hämische Medienberichte über seine Englischkenntnisse. "Oder auf Deutsch gesagt: Ihr kauft mir den Schneid nicht ab", schmettert Westerwelle laut und zackig hinterher, wobei er offen lässt, ob er damit die Medien meint oder die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei. Die knapp 400 Delegierten springen begeistert auf und feiern ihren Vorsitzenden.

Kritik an seinen Hartz-IV-Äußerungen und Vorwürfe der Günstlingswirtschaft bei Auslandsreisen sind für Westerwelle zwei Seiten derselben Medaille. "Wir erleben in Wahrheit, wie in NRW eine linke Mehrheit vorbereitet werden soll", sagt der Bonner vor seinem Heimat-Landesverband. Die Opposition greife zu "unappetitlichen" Vorwürfen. Er werde als "rechts beschimpft", um die Linkspartei hoffähig zu machen. Das stecke hinter den "ganzen Manövern". Den Außenminister auf einer Reise anzugreifen, wenn er sich nicht wehren könne: "Ein absoluter Tiefpunkt". Kritik an der aktuellen Schweigsamkeit von Bundespräsident Horst Köhler: "Unanständig". Das alles zeige: "Wenn Links regiert, gibt es in diesem Land auch keine politische Kultur mehr."

Die seit 2005 regierende schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf steht derzeit in den Umfragen ohne Mehrheit da. Spekuliert wird daher über ein Bündnis aus CDU und Grünen (siehe Infokasten). Verliert Schwarz-Gelb in NRW, hätten CDU/CSU und FDP im Bundesrat keine Mehrheit mehr. Nordrhein-Westfalen verfügt über sechs Stimmen in der Länderkammer. Wegen der schwierigen Lage in NRW kündigt Westerwelle den Delegierten seinen intensiven Einsatz im bevölkerungsreichsten Bundesland. Er werde über die Straßen und Marktplätze ziehen, und dann werde man mal sehen. "Wir erleben in Wahrheit, wie in NRW eine linke Mehrheit vorbereitet werden soll"

Westerwelle zur Oppositions-Kritik

Hintergrund

Grünen-Chefin Claudia Roth hält nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai ein Bündnis sowohl mit der SPD als auch mit der CDU für möglich. "Ausgeschlossen ist in NRW nur eine Jamaika-Koalition. Wir sind nicht der Mehrheitsbeschaffer für eine abgehalfterte schwarz-gelbe Politik", sagte Roth der "Bild am Sonntag". Bei den anderen Konstellationen sei entscheidend, wieviel grüne Inhalte durchgesetzt werden könnten. Roth lobte mehrere Unions-Mitglieder der Bundesregierung, allen voran die CDU-Chefin und Kanzlerin: "Ich verstehe mich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gut. Sie ist nicht ideologisch und eine kluge Frau, die offen auf andere zugeht", betonte Roth.dpa

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