Studie zu AfD-Wählern Sie haben Angst um ihre Zukunft und wählen deshalb die AfD

Berlin · Eine Studie zu den Wählern der Partei zeigt: Anhänger der Rechtspopulisten sind nicht nur die „sozial Abgehängten“. Was alle eint, sind diffuse Sorgen.

 Nicht nur die Zuwanderung treibt AfD-Wähler um.

Nicht nur die Zuwanderung treibt AfD-Wähler um.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Nicht nur Ängste vor der Zuwanderung lassen Wähler ihr Kreuz bei der AfD machen, sondern auch eine besonders stark ausgeprägte Sorge um die eigene Zukunft und das Gefühl, zum Verlierer auf dem Arbeitsmarkt zu werden. Das geht aus einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor, die gestern in Berlin veröffentlicht wurde.

Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein. Immerhin drei von vier Bundesbürgern bezeichnen in einer aktuellen Befragung die wirtschaftliche Lage in Deutschland als gut oder sehr gut. 56 Prozent sehen auch ihre eigene finanzielle Situation positiv. Gleichzeitig wächst aber auch die Verunsicherung. Und davon profitiert die Alternative für Deutschland. So macht sich gut jeder dritte Bürger Sorgen über die Kriminalität und Gewalt in seinem Wohnumfeld. Unter den AfD-Wählern sind es fast doppelt so viele. Ähnlich krass ist der Unterschied beim Thema Migration: Während 44 Prozent aller Befragten der Aussage zustimmen, dass man sich durch Zuwanderung fremd im eigenen Land fühle, sind es bei den AfD-Anhängern 83 Prozent. Rund 45 Prozent aller Befragten mit Kindern sorgen sich darüber hinaus um die Zukunft ihres Nachwuchses. Unter den AfD-Wählern sind es 60 Prozent.

Richard Hilmer, Wahlforscher und Ko-Autor der Studie, sagte: „AfD-Wähler empfinden einen dreifachen Kontrollverlust – persönlich, politisch und in nationalstaatlicher Hinsicht.“ Die Politik werde als „abgehoben“ wahrgenommen, das Vertrauen in den Staat sei gering. Die Angst vor sozialem Abstieg sei dagegen groß. Dabei seien es nicht nur die „sozial Abgehängten“, die der AfD ihre Stimme gäben: Die Vorliebe für rechtspopulistisches Gedankengut ist längst nicht nur ein Phänomen in den weniger gut betuchten Bevölkerungskreisen. „Auch Menschen mit besonders hohen Nettoeinkommen weisen im Vergleich zur oberen Mittelschicht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, AfD zu wählen“, heißt es in der Studie.

Obwohl der Partei-Mitbegründer Bernd Lucke, ein Wirtschaftsprofessor, längst der politischen Vergangenheit angehört, übt die AfD also offenbar nach wie vor eine gewisse Anziehungskraft auch für rechtskonservative Intellektuelle aus. Bei den Berufsgruppen sind laut Studie allerdings die Arbeiter überrepräsentiert. Dagegen wählt, wer keine Arbeit hat, „nicht häufiger AfD als der Rest der Bevölkerung“. Vor diesem Hintergrund erklärt sich dann wohl auch, dass das persönliche monatliche Nettoeinkommen von AfD-Wählern mit durchschnittlich 1664 Euro nur unwesentlich unter dem Mittelwert aller Beschäftigten (1682 Euro) liegt.

Die Autoren schließen daraus, dass die Motivation, AfD zu wählen, weniger auf die objektive soziale Situation zurückzuführen ist, sondern „auf die subjektive Wahrnehmung der eigenen Lebenslage“. So beurteilen zum Beispiel 26 Prozent aller Erwerbstätigen ihre Arbeitsplatzsituation skeptisch. Bei den AfD-Wählern sind es mit 34 Prozent deutlich mehr. Gerade die Situation im Job spiele eine wichtige Rolle für das Fruchten rechtspopulistische Positionen, erklären die Studien-Experten. Wenn das Arbeitsverhältnis keinem Tarifvertrag unterliege, oder der Job befristet sei, würden Betroffene „deutlich wahrscheinlicher“ der AfD zuneigen, als Personen mit einer festen und tarifgebundenen Beschäftigung. Keinen Unterschied mache dagegen die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Arbeiter mit Gewerkschaftsausweis sind demnach genauso häufig anfällig für rechtspopulistische Positionen wie unorganisierte Arbeiter.

Nach Einschätzung von DGB-Chef Reiner Hoffmann ist die Untersuchung ein Beleg für die Notwendigkeit guter und sicherer Arbeitsplätze: „Wer noch mehr Zeitarbeit will, mehr Befristung oder die Arbeitszeit deregulieren will, hat nicht verstanden, was auf dem Spiel steht“.

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