Studie Wer schön ist, ist klar im Vorteil

Düsseldorf/Saarbrücken · Dass attraktive Menschen im Job erfolgreicher sind, belegen Studien seit Jahren. Doch gilt das auch für die Politik? Ja, sagt ein Forscher aus NRW.

 Gilt als Deutschlands schönste Politikerin: Celine Erlenhofer von den Linken.

Gilt als Deutschlands schönste Politikerin: Celine Erlenhofer von den Linken.

Foto: dpa/Leopold Achilles

() Heiko Maas ist schicker als Pep Guardiola, meint das Männer-Magazin „GQ“. „Die schöne Kommunistin“ titeln die Zeitungen über Sahra Wagenknecht. Auch wenn die politischen Ansichten teils diametral auseinandergehen, haben der Bundesjustizminister und die Linken-Fraktionschefin doch eines gemeinsam: Die beiden Politiker aus dem Saarland gelten in der öffentlichen Wahrnehmung als attraktiv. Welchen Einfluss das möglicherweise auf ihre Karriere hat, hat nun ein Düsseldorfer Wissenschaftler herausgefunden. Er sagt: Die Attraktivität von Kandidaten begünstigt das Wahlergebnis. Mit anderen Worten: Wer attraktiv ist, gewinnt. Die Wahlkampagne von FDP-Chef Christian Lindner zielte wohl auf diesen Effekt.

Der Soziologe und Attraktivitätsforscher, Ulrich Rosar, hat 1786 weibliche und männliche Direkt- und Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl 2017 untersucht. Im Vergleich zu den Wahlen 2012 bis 2013 hatte die Attraktivität den bislang größten Einfluss. Im Extremfall könne ein Kandidat dadurch fünf Prozentpunkte mehr bei den Erststimmen gewinnen, bei den Zweitstimmen bis zu drei Prozentpunkte, sagt Rosar. Auch die Wahlbeteiligung erhöhe sich, je attraktiver die Kandidaten.

Am Anfang stand eine Art Schönheitswettbewerb: Zwölf Frauen und zwölf Männer begutachteten komplett anonymisierte Fotos aller Kandidaten. Von zehn prominenten Spitzenkandidaten landete Sahra Wagenknecht (Linke) auf Platz eins. Sie kam auf der von 0 (sehr unattraktiv) bis 6 (sehr attraktiv) reichenden Skala auf einen Wert von etwa 4. Zweiter wurde Lindner mit 3,4 und Dritte Alice Weidel (AfD) mit 3,25.

Schlusslicht ist Alexander Gauland (AfD) mit nur 0,54 Punkten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt auf Rang neun mit einem Wert von etwa 1 und SPD-Chef Martin Schulz auf Platz acht mit 1,67.

Wagenknecht und Lindner sind aber nicht die attraktivsten Politiker bundesweit. Und auch Heiko Maas, der 2016 zum bestangezogenen Mann des Jahres gekürt wurde, schafft es nicht an die Spitze. Der schönste Mann war laut der Studie Jan Ralf Nolte (AfD) aus dem hessischen Waldeck. Die schönste Kandidatin war Celine Erlenhofer, die für die Linke im Wahlkreis Dortmund II antrat. Das bedeutet natürlich nicht, dass nur die Schönsten gewinnen. Erlenhofer holte nur 8,6 Prozent der Erststimmen. Und auch Nolte verlor gegen die SPD-Kandidatin in Waldeck.

Attraktivität ist laut Rosars Studie nur die zweitwichtigste Personen­eigenschaft bei der Wahlentscheidung – nach dem Bekanntheitsgrad. Am allerwichtigsten sei zudem immer noch die Parteizugehörigkeit. Hier setzt auch die Kritik des Politologen Oskar Niedermayer an.

Bei Wahlentscheidungen spiele die Attraktivität nur eine begrenzte Rolle, sagt Niedermayer. Nach Sachkompetenz, Glaubwürdigkeit und Führungsqualität stehe die persönliche Sympathie laut Wahlforschung nur an vierter Stelle. Außerdem vergäben die meisten Wähler Erst- und Zweitstimme an dieselbe Partei. Würden die Stimmen gesplittet, dann nicht, weil ein Kandidat so schön sei, sondern weil der Wähler seine Stimme nicht an einen aussichtslosen Kandidaten verschenken wolle.

Dass nur 24 Tester die Kandidaten-Fotos begutachteten, ist für die Wissenschaft indes kein Problem, denn es gibt den „Attraktivitätskonsens“. „Wir wären uns alle einig, dass George Clooney deutlich besser aussieht als Woody Allen“, sagt Rosar. So hätten Psychologen herausgefunden, dass etwa ein konturiertes Kinn und wohldefinierte Lippen bei Männern sowie hohe Wangenknochen bei Frauen als attraktiv gelten. Außerdem gilt: Jugend ist schöner als Alter, und Männer werden im Vergleich zu Frauen als unattraktiver beurteilt.

Auch der Attraktivitätsforscher Martin Gründl, Professor für Wirtschaftspsychologie, sieht die Studie skeptisch. „Der französische Präsident Emmanuel Macron und der österreichische Kanzler Sebastian Kurz sehen gut aus, keine Frage“, sagt Gründl. „Aber es gibt viele Politiker, die nicht gut aussehen und trotzdem erfolgreich sind oder waren – von Merkel bis Helmut Kohl.“

Rosar will mit seiner Studie die Wähler dafür sensibilisieren, sich nicht vom Äußeren (ver)leiten zu lassen. Das sei gerade angesichts abnehmender gesellschaftlicher Konflikte und der wachsenden Wechselbereitschaft der Wähler wichtig. Da es immer weniger verlässliche Informationen zu komplexen Themen gebe, ließen sich Wähler verstärkt von „Sympathie“ oder „Attraktivität“ der Kandidaten beeinflussen, sagt Rosar. Politik dürfe nicht „immer mehr zum Schönheitswettbewerb“ werden, wie ihn Männermagazine wie „Men’s Health“ verbreiten. Das verpasste im Jahr 2015 der CDU-Abgeordneten Jana Schimke den Titel „Miss Bundestag“. Auf Platz sieben im Ranking landete übrigens eine Saarländerin: die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Nadine Schön, aus St. Wendel. Für eine Anfrage zum Thema Attraktivität war sie gestern jedoch nicht verfügbar. Stress im Sondierungs­endspurt. Schönheit ist eben nicht alles.

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