Urteil in Karlsruhe Wer hat nach dem Tod Zugang auf mein Facebook-Konto?

Karlsruhe · Eine 15-Jährige stirbt. Die Eltern wollen zur Aufarbeitung auf ihren Facebook-Account zugreifen. Doch der Konzern verweigert das. Heute erreicht der Fall den BGH.

 Wenn jemand stirbt, dann hinterlässt er heutzutage auch ein digitales Erbe. Der Fall einer 15-Jährigen wirft viele Fragen auf.

Wenn jemand stirbt, dann hinterlässt er heutzutage auch ein digitales Erbe. Der Fall einer 15-Jährigen wirft viele Fragen auf.

Foto: dpa/Stephan Jansen

Mutter und Vater wollen endlich Gewissheit über die Todesumstände ihrer Tochter – aber ihre Suche nach Antworten endet an der Zugangssperre zum Facebook-Konto des Mädchens. Seit Jahren streiten die Eltern vor Gericht um einen Einblick. Heute erreicht ihr Fall die höchsten Zivilrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. 

Die 15-Jährige war Ende 2012 in Berlin unter ungeklärten Umständen von einer U-Bahn erfasst worden. Unglück oder Selbstmord? Wichtige Hinweise erhoffen sich die Eltern von der Facebook-Seite ihrer Tochter. Nach eigener Aussage hatten sie sich von ihr das Passwort geben lassen. Aber Facebook hat das Konto nach dem Hinweis eines Nutzers auf den Tod des Mädchens in den „Gedenkzustand“ versetzt. Die Seite ist seither nur noch für alle Kontakte zur Erinnerung erreichbar. Sich anmelden und etwas ändern kann aber niemand mehr. Den Eltern ist damit der Zugang zu dem Account versperrt.

Die Mutter, die offiziell in dem Prozess als Klägerin auftritt, sieht es so, dass sie und ihr Mann das Facebook-Konto geerbt haben. Sie möchten die Seite einsehen können – so wie Erben nach dem Tod eines Angehörigen dessen Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen lesen dürfen. Aber Facebook lässt das nicht zu. Der US-Konzern bekundet zwar Mitgefühl mit der Familie. Der „Gedenkzustand“ schütze aber nicht nur die Rechte toter Nutzer, sondern auch deren Facebook-Kontakte. Diese seien davon ausgegangen, dass private Nachrichten privat bleiben.

Zu dem Streit trägt auch eine unklare Rechtslage bei. Es ist umstritten, ob digitale Inhalte vererbt werden können, die sich nicht – vergleichbar mit dem Tagebuch – ausschließlich zu Hause auf der Festplatte oder einem Datenträger befinden, sondern draußen auf einem fremden Server. Eine eindeutige Neuregelung, wie sie seit Jahren der Deutsche Anwaltverein fordert, ist bislang ausgeblieben.

Auch deshalb der langwierige Prozess, der den Eltern viel abverlangt. „Besonders schmerzlich ist für uns auch das damit verbundene lange Warten auf eine endgültige Gewissheit“, ließen sie nach dem vorerst letzten Urteil des Berliner Kammergerichts im Mai 2017 über ihren Anwalt mitteilen. Die Richter äußerten damals zwar „vollstes Verständnis“ für die Situation der Eltern, sahen sich aber „rechtlich daran gehindert, diesem Ansinnen zum Erfolg verhelfen zu können“. Knackpunkt war das Fernmeldegeheimnis: Facebook dürfe die Konto-Inhalte nur herausgeben, wenn jeder einzelne Facebook-Freund des Mädchens dem zuvor zugestimmt hätte. Dass der Account vererbbar ist, hielten die Richter zwar für gut möglich, sie ließen die Frage aber offen.

Zuvor hatte das Berliner Landgericht den Eltern als Erben Zugang zu dem Nutzerkonto zugesprochen. Die Richter dort sahen den „Gedenkzustand“ nicht als Hindernis. Sie erklärten die Facebook-Richtlinie für unwirksam, weil der Umstand, dass jeder beliebige Kontakt die Sperrung des Kontos veranlassen könne, die Erben eines toten Nutzers unangemessen benachteilige.

Nun hängt alles davon ab, welche Position die Bundesrichter beziehen. Sie könnten ihr Urteil direkt heute nach der Verhandlung verkünden. Inzwischen haben Facebook-Nutzer die Möglichkeit, zu Lebzeiten einen „Nachlasskontakt“ zu benennen. Diese Person darf das Konto in gewissem Umfang gestalten, sobald dieses im „Gedenkzustand“ ist.

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