Friedensnobelpreis Wer erhält die wichtigste Auszeichnung der Welt?

Von Theresa Münch

OSLO (dpa) Man hat das Gefühl, es könne jederzeit eskalieren. Nordkorea testet Atomwaffen, will gar eine Wasserstoffbombe gezündet haben. US-Präsident Donald Trump demonstriert mit Kampfjets seine Macht. Auch der Iran spielt wieder mit den Muskeln und erprobt Raketen. Abrüstung und die Vision einer atomwaffenfreien Welt scheinen so weit entfernt wie zu Zeiten des Kalten Kriegs. In dieser angespannten Weltlage wird heute um elf Uhr der Friedensnobelpreis vergeben. Kann und wird die wichtigste politische Auszeichnung der Welt ein Zeichen setzen gegen ein neues Aufrüsten?

Friedensforscher sehen den Kampf gegen Atomwaffen in diesem Jahr als das große Thema. „Es wäre angemessen, wenn der Preis an eine Gruppe oder eine Person ginge, die sich für nukleare Abrüstung einsetzt“, sagt der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith.

Wenn man von den wichtigen politischen Entwicklungen in diesem Jahr ausgehe, komme man schwer um die Atomwaffenfrage herum, meint auch der Friedens- und Konfliktforscher Peter Wallensteen von der Universität Uppsala. „Das Komitee hat schon seit mehreren Jahren nicht mehr darauf aufmerksam gemacht – und die derzeitige Situation könnte das Thema aktueller denn je zuvor machen.“ Ganz konkret nennt Wallensteen die Verantwortlichen für die Atomwaffen-Resolution der UN.

Der norwegische Friedensforscher Henrik Urdal vom Prio-Institut hat die „Architekten“ des Atom­abkommens mit dem Iran ganz oben auf der Liste: den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. „Wir sind in einer Situation, in der die Anwendung von Atomwaffen nicht mehr nur eine theoretische Möglichkeit ist“, betont Urdal. Die internationale Gesellschaft müsse dazu beitragen, die Entwicklung und Verbreitung von Atomwaffen zu begrenzen. „Es ist wichtig, dass Nordkorea sieht, dass das Abkommen mit dem Iran international honoriert wird.“

Nominiert wurden die Kandidaten für den Friedensnobelpreis schon im Frühjahr. In diesem Jahr musste das fünfköpfige norwegische Nobelkomitee zwischen 215 Personen und 103 Organisationen wählen. Auch Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin sind darunter – neben Papst Franziskus und den syrischen Weißhelmen, die schon im vergangenen Jahr als heiße Kandidaten galten.

Kristian Harpviken, Urdals Vorgänger als Prio-Direktor, setzte auf seiner im Frühjahr veröffentlichten Liste möglicher Preisträger die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU ganz nach oben. Sie hatte Trump wegen seiner Einreiseregelung für Ausländer vor Gericht attackiert, setzt sich für Meinungsfreiheit, gegen Todesstrafe und Polizeigewalt ein. Immer wieder wird auch die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas genannt. „Wenn es beim Friedensnobelpreis wirklich um Frieden geht, dann sind sie es“, meint der Direktor des schwedischen außenpolitischen Instituts, Mats Karlsson.

Er hoffe, dass der Preis an jemanden gehe, der sich mit seiner Arbeit über viele Jahre bewiesen habe – statt einer „Belohnung für eine symbolische Aktion“. Ein Preis für Taten also statt für Hoffnung wie beim Preis 2009 für den US-Präsidenten Barack Obama. Urdal sieht das anders: Ein Friedensnobelpreis könne Dinge anstoßen, auf den richtigen Weg bringen, sagt er.

Möglicherweise hält die Jury den Konflikt um das Atomabkommen mit dem Iran für zu aktuell, zu kontrovers. Sie würde sich nicht nur mit Trump anlegen – sondern indirekt auch Obama einen zweiten Preis aussprechen. Denn die Atomvereinbarung war auch seine wichtigste außenpolitische Initiative.

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