Wenn US-Drohnen über Syrien kreisen

Offiziell wiegeln die USA bei der Frage nach einer Militäroperation gegen Syriens brutalen Machthaber Baschar al-Assad ab. Ein internationaler Einsatz wie zuvor in Libyen sei noch keine Option, sagen Regierungsvertreter seit Wochen in Washington. Die Realität jedoch könnte bereits anders aussehen

Offiziell wiegeln die USA bei der Frage nach einer Militäroperation gegen Syriens brutalen Machthaber Baschar al-Assad ab. Ein internationaler Einsatz wie zuvor in Libyen sei noch keine Option, sagen Regierungsvertreter seit Wochen in Washington. Die Realität jedoch könnte bereits anders aussehen.Nach einem Bericht des Fernsehsenders NBC setzen die Amerikaner längst ihre Drohnen in dem Land ein. Dabei gehe es zwar nur um Aufklärungsarbeit, habe ein ungenannter Pentagon-Vertreter eindeutig klargemacht. Doch dass die unbemannten Flugzeuge überhaupt im syrischen Luftraum kreisen, ist schon an sich eine Sensation.

Die US-Regierung wollte den Bericht nicht kommentieren. Sollte er stimmen, wäre dies ein weiterer Beweis für die massive Ausweitung der Drohneneinsätze unter Präsident Barack Obama. In immer mehr Ländern - und sicher meist ohne Erlaubnis der jeweiligen Regierungen - lassen der Geheimdienst CIA und die Streitkräfte ihre ferngesteuerten Flugroboter Raketen auf Terroristen feuern oder Erkundungen machen. Was unter George W. Bush als Versuch im Anti-Terror-Kampf begann, hat sich unter seinem Nachfolger zur wichtigsten Waffe gegen Al Qaida entwickelt. In seiner dreijährigen Amtszeit gab es allein in Pakistan rund 200 Angriffe mit fast 2000 Toten, unter ihnen viele Unschuldige, ermittelte die Stiftung New Amerika Foundation. In acht Jahren Bush hatte es gerade mal 44 Attacken mit 400 Toten gegeben. Doch Obama denkt weit über Pakistan hinaus. Mittlerweile fliegen US-Drohnen auch in Staaten wie dem Jemen, Irak, Afghanistan oder Somalia. Selbst ein Einsatz bei Konflikten wie in Syrien ist kein Novum. Schon bei der Nato-Operation gegen den damaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi feuerten sie laut Medienberichten rund 150 Mal auf Gebäude oder Truppen des Regimes, am Ende mit tödlicher Präzision auch auf Gaddafi selbst.

Je mehr sich Obama auf die von der US-Ostküste aus ferngesteuerten Waffen verlässt, desto größer wird bei Beobachtern das Unbehagen. "Ich bin besorgt darüber, wie sich das entwickelt", sagte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Kongress, der "Washington Post".

Was Bürgerrechtler am meisten ärgert, ist die fehlende politische Aufsicht. Niemand im Kapitol kann sich einen vollständigen Überblick über alle Einsätze verschaffen, denn CIA und Militär werden von strikt getrennten Ausschüssen kontrolliert. Hinzu kommt, dass die Regierung die Drohnen-Angriffe nicht als Kriegsakt definiert. Obama ist dem Kongress nach eigener Meinung daher keine Rechenschaft schuldig.

Kritiker sehen einen erheblichen Schaden für die Demokratie, wenn das Volk nicht mehr selbst per Kongress über Kriegserklärungen bestimmen kann, wie es die Verfassung verlangt. "Mich beunruhigt, wie eine neue Technologie diesen Entscheidungsprozess kurzschließen kann", meint Peter Singer vom US-Forschungsinstitut Brookings. Die Regierung scheine ein für alle Mal durchsetzen zu wollen, dass ein Krieg ohne Soldaten nicht mehr als Krieg zu bezeichnen sei. Das sei gefährlich.

Doch der Kongress scheint wie gelähmt. Selbst wenn US-Bürger zum Ziel tödlicher Drohnenschüsse werden, bleibt er stumm. Im vergangenen Jahr eliminierte die CIA den Al-Qaida-Prediger Anwar al-Awlaki im Jemen, obwohl er einen US-Pass hatte und Menschenrechtler deswegen einen Prozess forderten. Das Weiße Haus berief sich dagegen auf den Kriegszustand.

Obwohl es wegen der Anti-Terror-Erfolge viele Unterstützer des Drohnenkrieges gibt, werden die Kritiker-Stimmen lauter. "Es ist ein absoluter Skandal", so Joshua Foust vom Forschungsinstitut American Security Project im Magazin "The Atlantic". "Wir haben eine unverantwortbare Tötungsmaschine in einer industriellen Dimension geschaffen." Foto: Applewhite/dapd

Meinung

Wirksame Waffe gegen Assad?

Von SZ-MitarbeiterFriedemann Diederichs

Das Verfassungsreferendum, das der syrische Machthaber jetzt angekündigt hat, dürfte in erster Linie weiterem Zeitgewinn dienen und das Land wirklichen demokratischen Verhältnissen kaum näherbringen. In der Zwischenzeit werden Assads Loyalisten ihr mörderisches Werk fortsetzen. Man muss deshalb das Weiße Haus für die Entscheidung loben, nun unbemannte Drohnen über dem Land einzusetzen. Das dient gleich zwei Zwecken: einmal mögliche Gräueltaten der Assad-Schergen zu dokumentieren und zum anderen die Daumenschrauben weiter anzuziehen. Als nächste denkbare Eskalationsstufe des Westens bleibt nun neben weiteren Sanktionen auch eine formelle Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag - gerade dieser könnte von Beweisen profitieren, die Amerikas sonst so umstrittene Drohnen über Syrien sammeln sollen.

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