Datenschutz Wenn Terror-Abwehr ein Gesicht bekommt

Berlin · Der Testlauf zur Gesichtserkennung in einem Bahnhof in Berlin ist umstritten. Innenminister de Maizière verteidigt das Projekt vehement.

 Auf einem Laptop wird die Software zur Gesichtserkennung vorgestellt.

Auf einem Laptop wird die Software zur Gesichtserkennung vorgestellt.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Schutz oder Überwachung? Der Bundesinnenminister hat eine klare Meinung. Thomas de Maizière (CDU) steht am Donnerstagvormittag im Berliner Bahnhof Südkreuz und verteidigt sein Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung durch Überwachungskameras. In seiner leicht hölzernen Art spricht er von einem „unglaublichen Sicherheitsgewinn für die Bevölkerung“. Erste Testergebnisse würden eine „erstaunliche Treffgenauigkeit“ zeigen. Die öffentliche Fahndung nach „Terroristen, nach Gefährdern, nach schweren Straftätern“ könne durch Gesichtserkennungsprogramme und Kameras massiv verbessert werden, sagt de Maizière. Alles unter der Voraus­setzung, dass die Technik zuverlässig funktioniert. Und genau das müsse man jetzt testen.

Wenige Meter von de Maizière entfernt hält Friedemann Ebelt ein Protestplakat gegen den sechsmonatigen und in dieser Form bisher einmaligen Test von Bundespolizei und Innenministerium empor. „Transparenz geht anders. Projekt abbrechen“, steht darauf. Ebelt gehört zu Digitalcourage, einer Datenschutzinitiative meist jüngerer Computerexperten. „Es gibt keine Studie, die nachweist, dass Videoüberwachung Kriminalität reduziert“, sagt er. Ebelt und andere Datenschützer sind grundsätzlich gegen die Gesichtserkennung durch Computer. Weil das Pilotprojekt der Bundespolizei aber schon läuft und sich bislang relativ wenig Protest regte, suchten sie sich einen konkreten Kritikpunkt. Sie analysierten den sogenannten Transponder, einen kleinen Sender, den die 300 freiwilligen Testpersonen bei sich tragen. Mit seiner Hilfe wird die Anwesenheit der Testpersonen im Bahnhof festgestellt – als Vergleichgröße zur Identifizierung durch die Kameras und Computer.

Die Transponder können aber noch viel mehr Daten senden: Beschleunigung, Temperatur und Neigung des Untergrunds etwa. Ebelt und seine Mitstreiter empfangen tatsächlich Daten des Transponders einer Testperson mit einem beliebigen Smartphone und einer App. Es handelt sich allerdings nur um die Kennnummer des Transponders und der Temperatur.

Das Innenministerium hatte bereits versichert, alle anderen Funktionen seien bei dem Versuch abgeschaltet. De Maizière betonte, er sehe „überhaupt keinen Grund, den Test jetzt abzubrechen“. Einzelne Testpersonen könnten natürlich jederzeit aussteigen. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff hatte zuvor einen vorläufigen Stopp des Tests gefordert.

In 900 Bahnhöfen hat die Bahn 6000 Kameras installiert. Im Testbahnhof Südkreuz sind es 77 Kameras, drei davon liefern derzeit die Bilder für die Computerprogramme zur Gesichtserkennung. Gefilmt werden ein Ein- und Ausgang sowie eine Treppe. Drei verschiedene Software-Systeme werten jeweils die Bilder der drei Kameras aus und vergleichen sie mit den gespeicherten Gesichtern der Testpersonen.

Im Obergeschoss des Bahnhofs demonstriert die Bundespolizei auf drei Laptops, wie die Gesichtserkennung funktioniert. Zum Test läuft eine Bundespolizistin die große Treppe im Bahnhof herunter - und wird fast sofort von den Computern anhand ihres vorher gespeicherten Gesichts erkannt. Ein Techniker der Bundespolizei gibt zu: „Mützen und Sonnenbrillen verschlechtern die Erkennungsquoten.“ Die Software-Firmen sollen nun ihre Programme noch verbessern können. „Sie können die Parameter anpassen“, sagt der Techniker. Erst ab November soll der echte Vergleichstest starten.

Im Laufe des Vormittags meldet sich Susanne Trampe (60) zu Wort. Sie ist eine der Testpersonen und fährt täglich mit der Bahn zu ihrem Garten. „Wenn nur ein einziges Verbrechen aufgeklärt wird, ist das hier sinnvoll“, sagt sie. „Ich fühle mich in meiner Freiheit überhaupt nicht eingeschränkt. Ich habe auch ein Grundrecht auf Sicherheit.“

Datenschützer, Grüne und auch die FDP sehen das anders. Auch wegen einer kürzlich beschlossenen Änderung des Personalausweisgesetzes. Künftig dürfen die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern das biometrische Lichtbild im Ausweis „zur Erfüllung ihrer Aufgaben im automatisierten Verfahren“ abrufen. Kritiker sprachen im Frühjahr von einem „Big-Brother-Gesetz“ und Überwachungsstaat. Zum aktuellen Versuch meint der FDP-Vize Wolfgang Kubicki: „Verfassungsrechtlich ist dieser Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht mehr bedenklich, sondern klar untersagt.“ Der Probelauf müsse beendet werden. De Maizière kontert, die Kameras seien schon vorhanden. „Durch die neue Technik würden Unbeteiligte nicht zusätzlich gespeichert. In Sekundenschnelle wird nur abgeglichen, ob sie auf einer Fahndungsliste stehen.“ Ob das aber überhaupt funktioniert, muss sich erst noch zeigen.

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