Wenn Politiker von Rechts bedroht werden

Berlin · Briefe, die mit Hakenkreuzen unterzeichnet sind. Brennende Autos und Hassparolen am Wohnhaus. Politiker, die sich gegen Rechts engagieren, werden nicht selten Opfer von Drohungen. Manchmal ist von Mord die Rede.

Ein Kommunalpolitiker tritt zurück, weil er sich rechtsextremer Hetze ausgesetzt sieht. Markus Nierth, Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt, wollte in seiner Gemeinde Flüchtlinge unterbringen. Die NPD drohte, vor seinem Haus zu demonstrieren. Nierth sorgte sich um seine Familie und gab sein Amt auf. Ein Extrembeispiel? "In dieser Form ist es ein Einzelfall", sagt der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke. "Aber es gab in den vergangenen Jahren immer wieder solche Fälle."

Im Januar brannte das Auto des Berliner Linken-Politikers Hans Erxleben . Der Bezirksverordnete von Treptow-Köpenick tritt seit Jahren gegen Rechtsextremismus ein. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau erhielt zuletzt wegen ihres Einsatzes für eine Flüchtlingsunterkunft in ihrem Berliner Wahlkreis über 40 Mord- und Gewaltdrohungen.

Und immer wieder werden Bürgermeister kleinerer Städte oder Gemeinden zur Zielscheibe. In Ratzeburg (Schleswig-Holstein) tauchten 2012 an mehreren Gebäuden Morddrohungen gegen den parteilosen Bürgermeister Rainer Voß auf. Er hatte zuvor in einem Bündnis gegen Rechts mitgewirkt. In Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) beschmierten Unbekannte 2013 das Wohnhaus des parteilosen Bürgermeisters Arne Schuldt mit der Parole "Lichtenhagen kommt wieder". Rechtsextreme hatten in dem Ort massiv gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft mobil gemacht.

Simone Rafael von der Amadeu-Antonio-Stiftung vermutet eine gezielte Strategie hinter solchen Angriffen: "Das ist eine ganz klare Taktik, mit der die Nazis versuchen, anderen Menschen Angst zu machen und so zu erreichen, dass ihre politischen Ziele erfüllt werden." Sie spricht von verschiedenen Eskalationsstufen. Drohungen auf Demonstrationen seien das eine. "Wenn es Angriffe auf das eigene Parteibüro sind, wird es schon persönlicher, weil man weiß: Jemand hat sich die Mühe gemacht, die Adresse herauszufinden", sagt sie. "Und noch viel schlimmer wird es natürlich, wenn es sich um das persönliche Wohnhaus handelt, was eigentlich für jeden Menschen der Rückzugsort ist."

In Dortmund wollten Anhänger der Partei "Die Rechte" im vergangenen Dezember vor dem Wohnhaus von Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD ) demonstrieren. Der Polizeipräsident untersagte das. Sierau kann die Entscheidung von Markus Nierth verstehen: Er habe "den Eindruck, dass der dortige Bürgermeister allein gelassen wurde". Für ihn selbst komme ein Zurückweichen vor Rechtsextremisten aber nicht in Frage.

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