Behandlungsfehler Wenn Patienten falsch behandelt werden

Berlin · Fehlende Informationen, mangelhafte Diagnosen: Tausende Behandlungsfehler passieren jedes Jahr. Experten sehen die Politik am Zug.

 Eine falsche Diagnose ist ein häufiger Behandlungsfehler. 2213 Fehler meldet die Bundesärztekammer für 2017. Das sind 32 weniger als 2016.

Eine falsche Diagnose ist ein häufiger Behandlungsfehler. 2213 Fehler meldet die Bundesärztekammer für 2017. Das sind 32 weniger als 2016.

Foto: dpa/Gregor Fischer

(dpa) Tausende Patienten werden jedes Jahr Opfer von Behandlungsfehlern in Kliniken und Praxen. Allein die zuständigen Stellen der Ärzte stellten 2017 in 2213 Fällen Fehler fest, wie die Bundesärztekammer mitteilte. Das waren etwas weniger als im Vorjahr. Untersucht wurden Verdachtsmeldungen Betroffener – von denen es wohl noch viel mehr gibt. Zahlen und Fakten zum Thema:

Wie viele Behandlungsfehler gibt es?

Das ist unklar. Denn Beschwerden laufen bei Ärztekammern, aber auch bei Kassen, Versicherungen und Gerichten auf. Schätzungen gehen von 40 000 Beschwerden pro Jahr aus. Anderen Schätzungen zufolge enden 0,1 Prozent aller Klinik-Behandlungen vermeidbar tödlich, wie das Aktionsbündnis Patientensicherheit erklärt. Das wären 20 000 Fälle. Die AOK schätzt alle Fehler im Krankenhaus auf 200 000 pro Jahr.

Was sind typische Fehler?

Vor allem falsch diagnostizierte oder nicht entdeckte Leiden. In Praxen sind Probleme bei der Diagnostik die häufigste festgestellte Fehlerursache, in Kliniken die zweithäufigste. So kam nach einem Streit ein Mann mit einer Stichverletzung ins Krankenhaus. Trotz akuter Behandlung sowie Bauchspiegelung und Ultraschall wurden Darm-Verletzungen zunächst nicht erkannt. Folge: Der Mann musste 18 Folge-Operationen über sich ergehen lassen und zwei Monate in der Klinik bleiben, davon zwei Drittel auf der Intensivstation mit einem Luftröhrenschnitt zur Dauerbeatmung.

Weswegen beschweren sich Patienten am häufigsten?

Besonders in Zusammenhang mit Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkbrüchen. „Patienten merken Beeinträchtigungen der Extremitäten sehr viel schneller als zum Beispiel eine fehlerhafte Medikamentengabe“, erläutert die Geschäftsführerin der norddeutschen Schlichtungsstelle, Kerstin Kols.

Stehen Patienten mit Sorgen wegen möglicher Fehler alleine da?

Lange beklagten Patientenvertreter, Betroffene träfen bei Ärzten oft auf eine Mauer des Schweigens. Das hat sich laut Aktionsbündnis Patientensicherheit gebessert. Offenheit, Transparenz, Checklisten bei Operationen, Fehlermelde-Systeme – so soll laut Experten die Sicherheitskultur weiter ausgebaut werden.

Was kann man bei konkretem Fehlerverdacht tun?

Die Ärzteschaft wirbt für ihre Schlichtungsstellen und Gutachter. Die stünden in ihren Beurteilungen nicht auf der Seite verdächtigter Ärzte, kosteten Patienten nichts und handelten mit Verfahren unter eineinhalb Jahren relativ schnell. Maßstab der Prüfungen ist dabei, ob eine Behandlung dem aktuellen „anerkannten Standard“ entsprach. Darin fließen Forschungsveröffentlichungen, Richtlinien und Herstellerangaben ein. Vor Gericht ziehen können Patienten danach dann immer noch. Daneben schreiben auch die Medizinischen Dienste der Krankenkassen rund 15 000 Gutachten zu Verdachtsfällen pro Jahr.

Wie könnte geschädigten Patienten noch schneller geholfen werden?

Durch einen Patienten-Entschädigungsfonds. Vorschläge dazu will die Bundesregierung prüfen. Die Patientenschützer fordern, die Möglichkeiten dazu gründlich zu diskutieren und eine Probephase zu starten. Dass bei einer Fondsentschädigung unabhängig vom Verursacher die Schuldfrage in den Hintergrund rücke, könne die Sicherheitskultur stärken – weil sich niemand in die Ecke gedrängt fühle.

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